Russische Menschenrechtsorganisation "Memorial besteht fort"
Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial arbeitet die Verbrechen der Sowjetzeit auf - wurde aber Ende 2021 vom Kreml geschlossen - möglicherweise auch, weil Moskau die Organisation als Stimme gegen den Ukraine-Krieg fürchtete.
Den diesjährigen Friedensnobelpreis teilen sich der belarusische Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki, die ukrainische Organisation Center for Civil Liberties und die russische Menschenrechtsorganisation Memorial. Letztere wurde von einem russischen Gericht Ende 2021 aufgelöst, nachdem Behörden die Organisation als "ausländischen Agenten" brandmarkte. Es folgten strenge Auflagen, viele Durchsuchungen und dann die Schließung.
Verbot kurz vor Beginn des Krieges
Memorial sei wahrscheinlich das erste Opfer im Krieg gegen die Ukraine gewesen, erklärte Sergej Kriwenko, Mitglied der Organisation, kurz nach Bekanntgabe des Friedensnobelpreises. "Denn die Behörden haben Memorial vor dem Angriff auf die Ukraine geschlossen." Memorial sei die älteste Organisation, es habe sie in der ganzen Zeit des modernen Russlands gegeben. "Wahrscheinlich haben die Behörden angenommen, dass wir dabei stören würden, das Land für den Kampf gegen die Ukraine zu mobilisieren," so der Anwalt. "Und so wurde Memorial dann natürlich geschlossen."
Gegründet zur Aufdeckung sowjetischer Gräuel
Memorial begann vor über 30 Jahren damit, die vertuschten Gräuel der Sowjetunion aufzudecken und gab den Todesopfern des stalinistischen Terrors Namen. Es folgten unter anderem die systematische Aufarbeitung russischer Kriegsverbrechen in Tschetschenien und politisch Gefangener.
Ausgerechnet jetzt steht Memorial in Moskau wieder vor Gericht. Der Organisation droht der Verlust der Büroräume. Doch auch das sei nicht das Ende, erklärte Mitarbeiter Kriwenko. Denn zum einen sei Memorial ein Dachverband mit über 80 Organisationen sowohl innerhalb als auch außerhalb Russlands. Zum anderen aber, so Kriwenko, sei Memorial längst auch zu einer Idee geworden:
Memorial besteht auch heute fort. Denn es gibt immer noch viele Menschen, die Dokument ihrer unterdrückten Angehörigen sammeln. Es gibt immer wieder Anfragen an Memorial. Deshalb können wir die Arbeit an sich nicht auf Geheiß des Staates beenden, weil diese Arbeit den Menschen wichtig ist.