Urteil gegen Autor Glukhovsky "Russland wird zu einer richtigen Diktatur"
Der im Exil lebende russische Bestseller-Autor Glukhovsky ist in seiner Heimat zu acht Jahren Straflager verurteilt worden. Für den Putin-Kritiker keine Überraschung.
Für Dmitri Glukhovsky ist die Verurteilung in Abwesenheit keine Überraschung. Im exklusiven ARD-Interview Anfang Mai hatte der Bestseller-Autor, der an einem unbekannten Ort im Ausland lebt, schon damit gerechnet. "Ich glaube, dass ich zumindest acht Jahre kriegen werde", sagt er. "Ich bin einfach nur glücklich, dass ich nicht da bin und dass dieses Urteil in meiner Abwesenheit gesprochen wird."
Glukhovsky müsste, wäre er noch in Russland, eine achtjährige Lagerhaft antreten. Er war für schuldig befunden worden, "Falschinformationen" über die russische Armee verbreitet zu haben. Das dafür notwendige Gesetz war erst nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs eingeführt worden. Der Straftatbestand lautet offiziell: "Verbreitung von wissentlich falschen Informationen über die russische Armee auf der Grundlage von politischem Hass".
"Keine andere Meinung erlaubt"
Glukhovsky hatte auf seinen Social-Media-Kanälen offen Kritik an der sogenannten speziellen Militäroperation in der Ukraine geübt und auch Berichte über Kriegsverbrechen russischer Soldaten geteilt.
"Ich erinnere mich daran, dass ich vor zwei Jahren, als ich noch in Russland lebte, grundsätzlich alles erzählen konnte", sagt Glukhovsky. "Dafür haben die russischen Behörden niemanden verfolgt." Seit Beginn des Krieges sei die Lage ganz anders, "und jetzt, da Russland zu einer richtigen Diktatur wird, erlauben die russischen Behörden keine andere Meinung, die von der offiziellen Meinung, von der Propaganda abweicht".
Vision aus Roman nahe an der Wirklichkeit
Glukhovsky ist auch dem deutschen Publikum bekannt. Seine "Metro"-Trilogie war hierzulande ein Bestseller. Im Frühjahr dieses Jahres erschien der zweite Band des Science-Fiction-Romans "Outpost" in deutscher Sprache. In dem Buch, das er bereits vor Beginn des Krieges geschrieben hatte, entwirft er die Vision von Russland, das nach einem Bürgerkrieg in unterschiedliche Teile zerfallen und gänzlich vom Westen isoliert ist.
Es grassiert zudem ein neurolinguistisches Virus, eine Art Propaganda-Vergiftung, die die Leute in den Wahnsinn treibt. Es sind teils verblüffende Parallelen zur derzeitigen Situation in seiner Heimat.
"Dann werden sie in die 'Fleischrolle' geworfen"
Angesprochen darauf, warum viele seiner Landsleute dem Krieg scheinbar gleichgültig gegenüberstehen, meint Glukhovsky: "Sie wissen natürlich im Unterbewusstsein, dass es nicht nur darum geht, dass Russland gerade Kriegsverbrechen begeht, sondern dass auch sie - insbesondere die Männer - jederzeit mobilisiert werden können, und dann werden sie in die 'Fleischrolle' geworfen. Aber das Bewusstsein macht diese Tricks, und du ignorierst das einfach."
Erst Ende Juli hat Russland die Wehrpflicht ausgeweitet. Demnach können Männer bis zum 30. Lebensjahr einberufen werden - bislang lag die Altersgrenze bei 27 Jahren. Wehrpflichtige dürfen zudem vom Tag der Einberufung an das Land nicht mehr verlassen.