Treffen von Staats- und Regierungschefs Ein Gipfel mit Konfliktpotenzial
Wenn heute in Granada Staats- und Regierungschefs zum Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft zusammenkommen, soll erneut ein klares Signal der Geschlossenheit an Putin gesendet werden. Doch es gibt durchaus Konfliktpotenzial.
Es gab Zweifel, vor gut einem Jahr, als die Europäische Politische Gemeinschaft gegründet wurde. Noch ein europäischer Club - was soll das, fragten Kritiker, sogar unter den Staats- und Regierungschefs.
Schließlich gab es schon den Europarat, für Menschenrechte und Zusammenarbeit, es gab die für Friedenssicherung zuständige Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und - natürlich - die Europäische Union mit 27 Mitgliedern.
Aber Frankreichs Präsident Emmanuel Macron setzte sich durch, der neue Club war seine Idee. Nach Russlands Angriff auf die Ukraine, so forderte er, sei es die historische Pflicht nicht nur der EU, sondern aller Europäer, als Wertegemeinschaft zusammenzustehen. Den Namen für das neue Format lieferte Macron gleich mit: Une Communauté Politique Européenne, eine Europäische Politische Gemeinschaft. Als Signal an Putin, dass die Europäer von Island bis Italien, von Portugal über den Balkan bis in die Republik Moldau zusammenarbeiten. Und dass Russland isoliert ist.
Konkrete Zusammenarbeit über die EU-Grenzen hinweg
Bei dem Symbol sollte es aber nicht bleiben. Konkrete Zusammenarbeit über die EU-Grenzen hinweg sind bis heute, beim dritten Treffen in Granada, das Ziel - in Sicherheitsfragen, bei der Energieversorgung, mit Handelserleichterungen, aber auch mit ganz praktischen Dingen wie Studenten- und Jugendaustausch.
Der französische Präsident musste nicht erwähnen, wer nicht Mitglied im Club werden sollte. Russland und Belarus erhielten keine Einladung.
Granada als Kontrastprogramm
Bundeskanzler Scholz unterstütze Macrons Idee von Beginn an. Das sei "ein sehr interessanter Vorschlag, mit der großen Herausforderung umzugehen." Nur wenige Wochen später folgte schon der Gründungsgipfel in Prag, im Oktober 2022. Noch weiter östlich dann das zweite Treffen im Frühjahr dieses Jahres, in Moldau, Nachbarrepublik der Ukraine und selbst in ständiger Sorge vor russischen Übergriffen.
Insofern wird das südspanische Granada jetzt ein Kontrastprogramm bieten für die mehr als 40 Staats- und Regierungschefs aus ganz Europa. Zum traditionellen Familienfoto werden sie auf die Alhambra chauffiert, die Stadtburg, Weltkulturerbe, baulicher Höhepunkt der islamischen Kunst in Europa und eine der meistbesuchten Touristenattraktionen auf dem Kontinent.
Reihen sich alle in die Anti-Putin-Front ein?
Die Gipfelthemen aber werden wieder osteuropäische Themen sein. Die Lage in der Ukraine an erster Stelle, man will wieder Geschlossenheit in Richtung Moskau demonstrieren. Aber es ist bei Weitem nicht sicher, ob alle sich in die Anti-Putin-Front einreihen.
Auch die Eskalation im Kaukasus sollte Thema sein, die EU hatte eine Vermittlungsinitiative zwischen Armenien und Aserbaidschan vorbereitet. Daraus wird nun aber voraussichtlich nichts - Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev hat kurzfristig abgesagt. Weil die Stimmung unter den Gipfelteilnehmern "antiaserbaidschanisch" sei, so zitiert die Nachrichtenagentur dpa die aserbaidschanischen Nachrichtenagentur APA.
Für die EU-Spitzen könnte sich da ein Problem zusammenbrauen, denn die EU ist angewiesen auf umfangreiche Gaslieferungen aus Aserbaidschan, sie sollen einen großen Teil der russischen Gaslieferungen ersetzen.
Auch Konflikt an der Grenze zum Kosovo kommt zur Sprache
Und noch ein Krisenherd wird den Gipfel in Granada beschäftigen: Serbiens Säbelrasseln an der Grenze zum Kosovo. Hier könnte sich die Chance zu einem direkten Gespräch ergeben, die Spitzen beider Länder sind da.
Das Besondere an der Europäischen Politischen Gemeinschaft könnte dann zu einem Vorteil werden: verbündete und verfeindete Länder kommen zusammen, es müssen keine Beschlüsse gefasst werden, man trifft sich einfach nur, um zu reden.