Alltag am Hafen von Odessa Luftalarm. Kaffee. Arbeit. Luftalarm.
Sichere Häfen und Ernährungssicherheit sind zentrale Themen der Friedenskonferenz in der Schweiz. Wie wichtig diese für die Ukraine sind, zeigt die aktuelle Situation in und um Odessa.
Das Schwarze Meer rauscht an dem kleinen sandigen Stadtstrand in Odessa. In der Ferne fährt ein großer schwarz-roter Frachter langsam in Richtung Hafengelände. Drei Häfen liegen in der großen Bucht von Odessa, in der Route und Geschwindigkeit der Frachter genau vorgeschrieben sind. Hat ein Schiff erst einmal am vorgesehenen Liegeplatz angelegt, muss es schnell gehen.
Das ukrainische Militär kontrolliert jede Fracht, die ankommt oder aufgeladen wird. "Weizen, Mais oder Gerste können die Häfen dann durch einen minenfreien sicheren Schiffskorridor verlassen", sagt Dmytro Barinow, Vizechef der zuständigen Hafenbehörde in Odessa. Die Schiffe fahren ohne militärische Eskorte, der ukrainische Such- und Seerettungsdienst steht jedoch bei medizinischen Notfällen bereit.
Heftige Angriffe seit Ende des Getreideabkommens
Seit Angreifer Russland im Juli 2023 aus dem Getreideabkommen ausgestiegen ist, fuhren mehr als 1.700 Schiffe durch den Korridor. Der Gesamtgüterumschlag betrage rund 50 Millionen Tonnen, darunter Weizen, Mais oder Gerste, aber auch Produkte aus Bergbau und Metallurgie, sagt Barinow. Seit den Ausstieg aus dem Getreideabkommen habe Russland die Häfen sehr stark beschossen, rund 40 Mal.
Bei einem Doppelangriff auf Odessa am 15. März kamen 21 Menschen ums Leben. Mehr als 40 wurden verletzt.
Rund 200.000 Tonnen Getreide wurde durch die Angriffe beschädigt. Das Welternährungsprogramm schätzt, dass diese Menge für eine halbe Million Menschen ein Jahr lang gereicht hätte. Bei russischen Raketen- und Drohnenangriffen auf die See- und Donauhäfen seien 25 Menschen getötet worden, darunter ein Lotse, Getreidelastwagenfahrer sowie Hafenmitarbeiter, die Schiffe be- und entladen. Außerdem wurden 200 Lagerräume, Büros und weitere Gebäude getroffen.
Militärische Erfolge im Schwarzmeerraum ermöglichen Export
Auch nach dem Ende des von UN und der Türkei vermittelten Getreideabkommens zwischen der Ukraine und Russland läuft der Export über das Schwarze Meer deutlich besser, als viele erwartet hatten. Das hat mehrere Gründe. Laut Ukraine verzögerte Russland ständig die im Abkommen vorgeschriebenen gemeinsamen Kontrollen. Nun gehe alles viel schneller.
Eine mobile Flugabwehreinheit in der Region Odessa sucht den Himmel ab.
Zudem drängte Kiew Moskau im Schwarzmeerraum militärisch zurück, etwa durch Drohnenangriffe auf russisches Militär auf der besetzten Krim und russische Kriegsschiffe. Außerdem fahren alle Schiffe unter ausländischer Flagge - auch aus Russlands wichtigem Partner China sind welche dabei, wenn laut Hafenbehörde auch nicht viele. Nach Angaben des ukrainischen Landwirtschaftsministeriums wurden im April 2024 rund sechs Millionen Tonnen Weizen exportiert - fast so viel wie vor der russischen Großinvasion.
Hohe Preise, niedrige Einnahmen für Landwirte
Rund 30 Kilometer nordwestlich von Odessa steht Walery Kotenko nahe dem Ort Beresan in seinem großen Sonnenblumenfeld. Die Ernte stehe noch aus, sagt der 52-jährige Landwirt, der seine Sonnenblumen über einen Zwischenhändler exportiert.
Eine Tonne Sonnenblumen verkaufe er für umgerechnet 500 US-Dollar, brummt Kotenko unzufrieden. Vor der Großinvasion seien es umgerechnet 800 US-Dollar gewesen. "Dünger ist teurer geworden und die Löhne sind gestiegen. Alles ist teurer und muss bezahlt werden."
Dass die Landwirte verkaufen, exportieren und wieder säen können, dafür fühlt sich Dmytro Barinow von der Hafenbehörde verantwortlich: Denn es gehe um die globale Ernährungssicherheit. Europäer oder Amerikaner würden beispielsweise einen Mangel an ukrainischen Lebensmitteln auf dem Markt am Preis merken.
"Alles ist teurer geworden, und ich bekomme weniger pro Tonne. Landwirt Walery Kotenko baut in der Region Odessa Sonnenblumen an.
Ein Liter Sonnenblumenöl habe früher einen Euro gekostet, jetzt seien es zwei oder drei. In Afrika oder Asien gäbe es aber auch Länder, die überhaupt nichts zu essen hätten. Die Welternährungsorganisation sei zu etwa 50 Prozent von der Versorgung durch ukrainische Bauern abhängig
"Wir haben uns Sorgen gemacht" sagt Barinow. Doch dank des ukrainischen Militärs existiere der Schiffskoridor und die Hoffnungen hätten sich erfüllt.
Wunsch nach mehr Flugabwehr für Städte und Häfen
Unterdessen gibt es in Odessa, wie so oft, Luftalarm. Alle checken auf ihren Handys, was Russland dieses Mal in welche Richtung abgefeuert hat. "Ballistische Raketen", ruft ein kleiner Junge scheinbar ungerührt und stopft sich ein Stück Pizza in den Mund.
Auch Odessa hat nicht ausreichend Flugabwehr, um Menschen, Wohnhäuser und wichtige Hafenanlagen zu schützen, bedauert Dymtro Barinow und schickt einen Appell in Richtung Schweiz.
"Unsere Realität sieht jetzt so aus", fügt er hinzu: Nachts gehe man in den Schutzraum, morgens trinke man Kaffee und gehe zur Arbeit - und dann gäbe es wieder Luftalarm. "Es wäre gut, wenn die Region unter einem Schutzschirm wäre - und ich hoffe, dass auf dem Friedensgipfel darüber gesprochen und uns mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dann werden wir hier mehr geschützt."