Nordirland-Konflikt Gerät fragiler Frieden aus der Balance?
In Nordirland mehren sich die Krisensymptome. Alte Feindschaften zwischen Sinn Féin und Unionisten brechen wieder auf. Doch auch Brexit und Lockdown verunsichern die Menschen.
Bis heute verlaufen viele politische Konfliktlinien in Nordirland entlang der alten Bürgerkriegsfronten. 30 Jahre dauerte dieser Bürgerkrieg, rund 3500 Menschen kamen darin ums Leben, Zehntausende trugen Verwundungen davon, ehe das Karfreitagsabkommen von 1998 Frieden brachte. Doch dieser ist fragil.
2000 Trauergäste trotz Lockdowns
Auch heute noch stehen auf der einen Seite die so genannten Unionisten, meistens Protestanten, die sich zur Union mit dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland bekennen. Auf der anderen Seite sind die meist katholischen Republikaner, die einen Anschluss des Nordens an die Republik Irland im Süden wollen.
Für die Unionisten sitzt die DUP in der Regionalregierung, für die Republikaner Sinn Fein, die früher als politischer Arm der Terrororganisation IRA galt. Konkreter Anlass für die jüngsten Krawalle ist nun die Beisetzung eines früheren IRA-Kämpfers im vergangenen Sommer. Dazu waren Hunderte, manche sagen bis zu 2000 Trauergäste angereist - und das mitten im Lockdown. Unter den Gästen waren auch führende Mitglieder von Sinn Fein.
Schleichende Loslösung?
Trotzdem hat die Staatsanwaltschaft in der vergangenen Woche entschieden, dass es in der Abwägung zwischen der Sensibilität dieser Beisetzung und der Gefahr für die öffentliche Gesundheit keine Strafverfolgung geben wird, weil letztlich wahrscheinlich kein zweifelloser Rechtsbruch nachgewiesen werden könne.
Die Unionisten kritisieren das scharf. Für Sinn Fein gelten wohl andere Regeln als für alle anderen, sagen sie. Darüber hinaus stören sich die Unionisten auch an den Brexit-Regelungen mit der EU für Nordirland. Sie befürchten, dass die jetzt unterschiedlichen Regeln für ihren Landesteil und den Rest Großbritanniens zu einer schleichenden Loslösung vom Vereinigten Königreich führen.
Banden werben Jugendliche an
Sicherheitskräfte in Nordirland machen allerdings auch Bandenkriege im Drogenmilieu zumindest teilweise für die Krawalle mitverantwortlich. Der inzwischen fast ein Jahr mehr oder weniger durchgängig andauernde Lockdown habe dazu geführt, dass vor allem junge Menschen für die Anwerbung durch Banden besonders anfällig geworden seien.