
Italiens Ministerpräsidentin Wo Melonis Trump-Nähe an ihre Grenzen kommt
Nur wenige in der EU haben einen so guten Draht zu Trump wie Italiens Ministerpräsidentin Meloni. Doch das stellt sie als klare Unterstützerin der Ukraine auch vor Konflikte. Wie gelingt ihr der Spagat?
Das Jahr hatte für Giorgia Meloni zunächst sehr gut begonnen. Während man in weiten Teilen Europas besorgt in die Richtung USA und auf den Beginn der zweiten Amtszeit von Donald Trump blickte, flog die italienische Ministerpräsidentin Anfang Januar nach Mar-a-Lago in Florida, um mit Trump die Freilassung der italienischen Journalistin Cecilia Sala aus einem iranischen Gefängnis in die Wege zu leiten. Außerdem soll sie mit Elon Musk über einen möglichen Milliardendeal mit seiner Firma SpaceX gesprochen haben.
Kurz nach ihrer Floridareise ging es nach Washington, um als einzige geladene Regierungschefin der EU an den Feierlichkeiten zur Amtseinführung von Trump teilzunehmen. Die Ministerpräsidentin sah sich bereits als Brückenbauerin zwischen Europa und den USA. Doch aus dem Versuch, Brücken zu bauen, ist nun eher ein Drahtseilakt geworden.

Viel zu sehen: Die Amtseinführung Trumps verfolgte Meloni an der Seite von Argentiniens Präsident Milei und Chinas Vizepräsident Han.
Pro Ukraine aus Überzeugung
Am 22. Februar sprach Meloni per Videoschalte auf der CPAC-Konferenz in Washington, einem Treffen amerikanischer Rechtspopulisten. Die rechte Politikerin wetterte gegen das "Virus der Cancel Culture und der Woke-Ideologie" und gegen "die radikale Linke". Aussagen, die bei den Trump-Fans viel Beifall ernteten.
Doch bei einem Thema nahm sie eine Position ein, die im Trump-Lager eher unüblich ist: Sie betonte die Bedeutung des transatlantischen Bündnisses und lobte die Ukraine, die "ein stolzes Volk" sei und gegen eine "unrechtmäßige Aggression" für seine Freiheit kämpfe.
Nur fünf Tage später wurde der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus von Trump und seinem Vize JD Vance vor aller Welt gedemütigt. Eine Szene, die wohl auch bei Meloni Eindruck hinterlassen haben dürfte, die als überzeugte Unterstützerin der Ukraine gilt und die ihrerseits immer - wie auch zuletzt auf der CPAC-Konferenz - klar benannt hat, wer für sie der Aggressor in diesem Konflikt ist.
Dass Trump versuche, im Sinne Putins, diese Narrativ umzudrehen, verstoße gegen Melonis wichtigstes politisches Prinzip: die Souveränität des Nationalstaates. Für Meloni stehe dies an oberster Stelle, sagt Giovanni Orsina, Politikwissenschaftler an der römischen Luiss-Universität. Da der russische Angriff auf die Ukraine die ukrainische Souveränität verletzt habe, sei ihre Unterstützung nur konsequent.

An ihrer Unterstützung für die Ukraine lässt Meloni keinen Zweifel aufkommen - das unterscheidet sie von Trump.
Gratwanderung zwischen Trump und der EU
Und trotzdem war Meloni das einzige Regierungsoberhaupt der großen europäischen Länder, das Selenskyj nach dem Eklat im Weißen Haus nicht sofort öffentlich unterstützte. Stattdessen rief sie zur Einigkeit auf, der Westen dürfe sich nicht spalten lassen, und sie telefonierte mit Trump.
Als die Regierungschefs beim EU-Sondergipfel in der vergangenen Woche ein 800-Milliarden-Paket für das Militär und die Ukraine diskutierten, stimmt Meloni am Ende zu. Gleichzeitig betonte sie mehrfach, dass die USA miteinbezogen und die transatlantische Partnerschaft aufrecht erhalten werden müsse.
"Meloni versucht sicherzustellen, dass die europäische Mobilisierung nicht als etwas angesehen wird, das den USA feindlich gegenübersteht, sondern als etwas Kooperatives", so Orsina.
Armee aufstocken trotz hoher Verschuldung?
Auch zuhause wagt sie den Balanceakt: Italien liegt aktuell deutlich unter dem Zwei-Prozent-Ziel der NATO und steht unter Zugzwang. Die Regierung will daher im Rahmen eines nationalen Sicherheitsplans die Berufsarmee um bis zu 40.000 Soldatinnen und Soldaten aufstocken.
Wie das ganze finanziert werden soll, ist bislang unklar, bereits jetzt liegt die Staatsverschuldung bei mehr als 134 Prozent. Medienberichte zufolge könnte eine Möglichkeit sein, Mittel aus dem 800-Milliarden-Aufrüstungsprogramm der EU zu nutzen.
Allerdings stoßen die Pläne in der Bevölkerung auf große Skepsis. Auch die Opposition, angeführt vom sozialdemokratischen Partito Democratico, sieht die italienischen und europäischen Rüstungsvorhaben äußerst kritisch. Selbst in Melonis eigener Regierungskoalition gibt es Kritik daran, allen voran von Vizepremier und Putin-Bewunderer Matteo Salvini.
Ähnlich uneinig ist man auch bei dem Thema, ob Italien Friedenstruppen in die Ukraine senden soll. Regierungschefin Meloni wäre dazu bereit, sofern diese Truppen über ein UN-Mandat verfügen, Salvini und die Opposition sind dagegen.
Aktuell scheint in Italien ausgerechnet Meloni, deren politische Wurzeln im Postfaschismus liegen und die vor ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin oft und heftig gegen Europa und die Brüsseler Institutionen gewettert hatte, die europäische Linie am ehesten mitzugehen. Laut Politikwissenschaftler Orsina ist sie vielleicht nicht die überzeugteste Europäerin, aber sie garantiere momentan, dass Italien im Team Europa mitspielt.