Verfassungsänderung in Italien Mehr Macht für Ministerpräsidentin Meloni
Italiens Regierung spricht von der "Mutter aller Reformen": Sie plant eine Verfassungsänderung, die Parlament und Präsidenten schwächen soll - zugunsten der Ministerpräsidentin.
Diese Reform, sagt Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni selbst, sei ihre bislang wichtigste. Es ist eine Reform, die Italiens Verfassung an einem zentralen Punkt umkrempeln soll - und ihr als Regierungschefin künftig mehr Macht geben würde.
Als Ziel der geplanten Verfassungsänderung nennt Meloni in einer Videobotschaft, "den Italienern eine stabile und glaubwürdige Regierung zu geben, die vollständig den Willen des Volkes widerspiegelt." Und sie fügt hinzu: "Es ist die Mutter aller Reformen."
"Exekutive wird zum wahren Zentrum des Systems"
Wichtigster Punkt ist, dass der Ministerpräsident (Meloni verwendet für ihr Amt die männliche Form) künftig direkt vom Volk gewählt werden soll. Stürzen die Abgeordneten den Regierungschef durch ein Misstrauensvotum, soll er in Zukunft die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen verlangen können. Es wäre ein wichtiges Instrument, um das Parlament im Zaum zu halten.
Andrea Pertici von der Universität Pisa, einer der führenden Verfassungsrechtler Italiens, befürchtet durch die geplante Reform ein starkes Ungleichgewicht: "Weil die Bedeutung des Parlaments, der Legislative, mit ihren Garantien und ihrem Pluralismus, geopfert wird, um die Exekutive zu stärken." Diese würde dann zum wahren Zentrum des Systems werden.
Auch der Staatspräsident, bislang eine Art Schiedsrichter in Krisenzeiten, wäre künftig kein Gegengewicht mehr zur Regierung, befürchtet Pertici. "Die Reform gibt auch Anlass zur Sorge, weil die Rolle des Staatspräsidenten eingeschränkt wird, der in Italien als ausgleichendes Regulativ im System traditionell sehr wichtig ist."
Opposition gegen Melonis Pläne
Die Opposition stellt sich gegen die von Meloni geplante Verfassungsänderung. Die Vorsitzende des sozialdemokratischen PD, Elly Schlein, warnt: "Faktisch demontiert diese Reform die parlamentarische Republik, so wie wir sie bislang gekannt haben."
Gegen den Widerstand der Opposition hat die Regierungsmehrheit die Verfassungsänderung bereits durch die Abgeordnetenkammer gebracht. Jetzt liegt die Reform im Senat, der zweiten Parlamentskammer. In der vergangenen Woche hat sie dort die Hürde im Ausschuss für Verfassungsangelegenheiten übersprungen. Alles ist bereit für ein Votum im Plenum.
Stabilität als Argument
Meloni verspricht: Durch ihre Verfassungsänderung werde Italien eine stabilere Demokratie, weil der Ministerpräsident nicht mehr so leicht durch wechselnde Mehrheiten im Parlament gestürzt werden könne. Die bislang häufig kurze Lebensdauer der italienischen Regierungen habe Italien international "wenig glaubwürdig gemacht". "Keiner wollte mit uns Vereinbarungen treffen. Denn jedes Mal, wenn du dich mit einem Vertreter der italienischen Regierung zusammengesetzt hast, war es ein anderer."
Verfassungsrechtler Pertici verweist darauf, dass seit Beginn der Zweiten Republik 1994 die durchschnittliche Lebenszeit italienischer Regierungen deutlich gestiegen ist. Vor allem aber sei Stabilität kein demokratischer Selbstwert. "Es ist gut, wenn eine Regierung stabil ist, wenn sie gut arbeitet. Aber es ist ein Problem, wenn es schwierig ist, eine Regierung nach Hause zu schicken, wenn sie schlecht arbeitet", argumentiert Pertici.
Auch wenn Meloni derzeit im Parlament Tempo macht - am Ende wird sie sich mit ihrer Verfassungsänderung wahrscheinlich einem Referendum stellen müssen. In Italien ist vorgeschrieben, dass eine Verfassungsänderung nur bei einer Zweidrittelmehrheit im Parlament sofort wirksam wird, ansonsten kann die Opposition eine Volksabstimmung über die Reform verlangen.
In der Vergangenheit war das eine heikle Hürde für Regierungschefs. Zuletzt scheiterte der damalige Ministerpräsident Matteo Renzi 2016 mit einem Referendum über eine von ihm gewollte Verfassungsänderung - und musste anschließend zurücktreten.