EU-Außenbeauftragter Borrell Mit dem Feingefühl einer Dampfwalze
Mit seinem fehlendem Feingefühl gibt der EU-Außenbeauftragte Borrell im Nahost-Konflikt kein gutes Bild ab. Statt als ehrlicher Makler zu vermitteln, schwächt er Europas Außenpolitik.
In der Nahostpolitik haben die Europäer ein Problem. Es heißt Josep Borrell. Der 76-jährige Spanier ist Chefdiplomat der EU, und ganz offiziell trägt er den klangvollen Namen des Hohen Repräsentanten für Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union.
Anders, als dieser Titel vermuten lässt, machte Borrell mit dem Feingefühl einer Dampfwalze in den vergangenen Wochen so ziemlich alles platt, was mal der Kern von Europas Außenpolitik war.
Kopfschütteln und Augenrollen in Brüssel
Frieden stiften im Nahen Osten, vermitteln zwischen den Konfliktparteien, zwischen Israel und den Palästinensern, und mit diesen beiden Seiten im Gespräch bleiben, das wäre Borrells Aufgabe gewesen - gerade nach dem Morden der militant-islamistischen Hamas.
Stattdessen ließ der Spanier keine Gelegenheit aus, einseitig Partei zu ergreifen: immer zugunsten der Palästinenser, immer zum Nachteil Israels. Laut und im Alleingang, ohne Absprache mit Europas Außenministern, forderte er eine Waffenruhe - Israels Recht auf Selbstverteidigung blieb nur noch Platz im Nebensatz.
Für die Monstrosität des Angriffs der Hamas fand Borrell nie die richtigen Worte. Und dann wunderte der Mann mit dem klangvollen Titel sich auch noch, dass die israelische Regierung ihn gar nicht mehr empfangen wollte.
In dieser Woche gab es für ihn dann doch noch einen Termin. Im Kibbuz Be'eri, mitten im Schlachtfeld der Hamas-Verwüstungen, fiel Borrell aber nicht viel mehr ein als gute Ratschläge für die Israelis, sie mögen sich nicht durch ihre Wut aufzehren lassen. In Brüssel löst das nur noch Kopfschütteln und Augenrollen aus.
Dickicht nationaler Einzelinteressen
Zum ganzen Bild gehört - und das muss man Borrell fairerweise zugutehalten -, dass die Europäer nirgends so uneins sind wie in der Nahostpolitik. Im Dickicht nationaler Einzelinteressen eine gemeinsame Linie zu finden, ist nicht einfach.
Extreme prallen aufeinander: Auf der einen Seite stehen Länder wie Spanien und Irland, die in Erinnerung an eigene historische Erfahrungen mit Unterdrückung bis heute die Palästinenser als eine Art Befreiungsbewegung verklären. Maximal entfernt davon stehen Länder wie Deutschland und Österreich, die ebenfalls aus der eigenen Geschichte ganz andere Lehren ziehen: dass Israel Unterstützung verdient gegen alle Kräfte, die den Staat in Frage stellen.
Unterschiedliche Perspektiven als Chance
Kann Europa da überhaupt mit einer Stimme sprechen? Vermutlich nicht, historische Erfahrungen und nationale Interessen sprechen dagegen. Aber genau darin liegt auch eine Chance: Frankreich und Spanien verfügen über ausgezeichnete Kontakte in die arabische Welt, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und auch Außenministerin Annalena Baerbock werden in Israel gehört wie sonst nur Vertreter aus Washington.
So haben fast alle Regierungen Europas ihre eigenen, gut funktionierenden diplomatischen Drähte in den Nahen Osten. Ein richtiges Netzwerk ist dabei entstanden. Darauf hätte Chefdiplomat Borrell bauen müssen: Als ein Mittler, als ehrlicher Makler hätte er um das Vertrauen sowohl der Araber als auch der Israelis werben müssen. Die nötigen Machtinstrumente dafür hat er, reichlich sogar: Geld.
Und das könnte die EU ja auch einmal entziehen - oder zumindest damit drohen: Sie ist weltweit größter Geldgeber der palästinensischen Autonomiebehörde.
Lehren für die Zeit nach den Europawahlen
Sechs Monate ist jetzt Borrell noch im Amt, bis zu den Europawahlen im Sommer. Dann wird der Posten neu besetzt. Da kann man nur hoffen, dass die richtigen Lehren gezogen werden. Statt große Länder mit großen Posten zu versorgen - was vor vier Jahren Borrells Trumpf war, weil Spanien, sein Land, noch nichts Repräsentatives abbekommen hatte -, statt also so weiterzumachen wie bisher, sollten Europas Außenminister sich unter den Besten umsehen. Herkunft spielt keine Rolle, aber die Fähigkeit, das eigene Ego zurückzustellen.
Europas Chefdiplomat sollte weniger Chef als Diplomat sein, und er sollte mehr können als wollen.
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