Protest in Frankreich Mehr als 600 Festnahmen nach Krawallen
In Frankreich ist es nach dem Tod eines 17-Jährigen erneut zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstrierenden gekommen. Der Polizist, der den Jugendlichen in Nanterre tödlich verletzt hatte, ist in Untersuchungshaft.
Im Großraum Paris und weiteren französischen Städten hat die Polizei in der Nacht zum Freitag mit einem massiven Aufgebot versucht, erneute Krawalle nach dem Tod eines Jugendlichen bei einer Polizeikontrolle zu verhindern. In etlichen Städten kam es dennoch erneut zu Auseinandersetzungen, wie die Zeitung "Le Parisien" und der Sender BFMTV berichteten. Beamte seien mit neuen Vorfällen in Marseille, Lyon, Pau, Toulouse und Lille konfrontiert worden, teilte die nationale Polizei mit.
Insgesamt seien über Nacht 667 Menschen festgenommen worden, sagte Innenminister Gérald Darmanin - ein großer Teil davon im Großraum Paris. "Die Antwort des Staates muss äußerst entschlossen sein", sagte Darmanin in der nördlichen Stadt Mons-en-Baroeul, wo mehrere städtische Gebäude in Brand gesetzt worden waren.
40.000 Polizisten im Einsatz
Es ist die dritte Krawallnacht in Folge. Im gesamten Land sind 40.000 Polizisten im Einsatz, rund viermal so viele wie noch am Mittwochabend. In der Region Paris fahren seit Donnerstagabend keine Busse und Straßenbahnen mehr, im acht Kilometer vom Pariser Stadtzentrum entfernten Clamart gilt eine nächtliche Ausgangssperre bis Montag.
Auslöser der Ausschreitungen sind tödliche Schüsse eines Polizisten auf einen Jugendlichen nordafrikanischer Abstammung im Pariser Arbeitervorort Nanterre. Eine Motorradstreife hatte den 17-Jährigen am Dienstagmorgen am Steuer eines Autos gestoppt. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel der tödliche Schuss aus der Dienstwaffe des Polizisten.
Die Staatsanwaltschaft hat wegen des Verdachts des Totschlags ein Verfahren gegen den Beamten eingeleitet. Er kam in Untersuchungshaft. Der Einsatz der Waffe bei der Kontrolle war nicht gerechtfertigt, hieß es von der Staatsanwaltschaft.
Polizist entschuldigt sich bei Familie
Nach Angaben seines Anwalts entschuldigte sich der Polizist im Polizeigewahrsam bei der Familie. "Die ersten Worte", die der Beamte gesagt habe, "waren, sich zu entschuldigen, und die letzten, die er gesagt hat, waren, sich bei der Familie zu entschuldigen", sagte der Anwalt im Fernsehsender BFMTV.
Sein Klient habe im Gewahrsam erstmals das Video gesehen und sei "extrem erschrocken von der Gewalt dieses Videos" gewesen. "Er ist am Boden zerstört. Er steht nicht morgens auf um Menschen zu töten. Er wollte nicht töten", fügte der Anwalt hinzu und kündigte an, am Freitag Widerspruch gegen die Untersuchungshaft einzulegen.
Auseinandersetzungen in Nanterre
In Nanterre wurde am Donnerstagabend eine Bankfiliale in Brand gesetzt, wobei die Flammen auf ein darübergelegenes Wohngebäude übergriffen. Die Feuerwehr löschte den Brand. Es kamen keine Menschen zu Schaden.
Im Anschluss an einen Trauermarsch für den erschossenen Jugendlichen in Nanterre gab es dort am Abend bereits Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und der Polizei. Die Beamten wurden mit Molotow-Cocktails beworfen, die Polizei überwachte die Lage mit Hubschraubern und zog Spezialkräfte zusammen, 19 Menschen wurden festgenommen.
Geschäfte in Marseille geplündert
In der Hafenstadt Marseille gerieten Hunderte Protestierende mit der Polizei aneinander, Geschäfte wurden geplündert und 14 Menschen festgenommen. Die Polizei feuerte Tränengas ab, als es zu Zusammenstößen mit Jugendlichen kam, berichtet die Zeitung "La Provence".
In Lille, Lyon und in Bordeaux kamen Spezialeinheiten der Polizei zum Einsatz. In Grenoble wurde ein Bus mit Feuerwerkskörpern beschossen und die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe legten daraufhin die Arbeit nieder.
Auseinandersetzungen auch in Brüssel
Auch in der belgischen Hauptstadt Brüssel kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und Ordnungskräften. Etwa zehn Menschen wurden festgenommen, wie die Polizei mitteilte. Jugendliche hätten sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Ordnungskräften geliefert und es habe mehrere Brände gegeben.
Wie die Brüsseler Verkehrsgesellschaft auf Twitter mitteilte, wurde ein Teil des öffentlichen Personennahverkehrs eingestellt. Belgische Medien zeigten Bilder eines brennenden Autos und von Polizisten in Kampfmontur.
Laut Polizei hatten Jugendliche in sozialen Netzwerken dazu aufgerufen, sich als Reaktion auf den Tod des 17-Jährigen in Frankreich zu versammeln. Spannungen gab es laut der belgischen Nachrichtenagentur Belga vor allem rund um das zentral gelegene Stadtviertel Anneessens.