Nach dem Lampedusa-Besuch Wie geht es weiter mit der Flüchtlingspolitik?
Auf Lampedusa hat Kommissionspräsidentin von der Leyen viel versprochen, um die von den hohen Flüchtlingszahlen überforderte Insel zu entlasten. Doch sie ist auf die EU-Staaten angewiesen - und viele weigern sich, Flüchtlinge aus Italien aufzunehmen.
Einen Zehn-Punkte-Plan hat Kommissionspräsidentin von der Leyen in Lampedusa versprochen: schnelle Hilfen aus Brüssel, Maßnahmen gegen die humanitäre Krise auf der winzigen Insel, wo jeden Tag mehrere hundert Flüchtlinge auf klapprigen Booten ankommen, manchmal sind es sogar einige Tausend.
Die EU lässt Italien mit dem Problem nicht allein, das war von der Leyens Botschaft bei der spontanen Reise gestern: "Das ist sehr wichtig für mich, weil irreguläre Einwanderung eine Herausforderung für Europa ist und deshalb auch eine europäische Antwort braucht", so die Kommissionspräsidentin.
Von der Leyen ist auf EU-Staaten angewiesen
Aber wie sieht die Antwort aus? Das ist auch nach dem Besuch noch nicht ganz klar. Denn das Zehn-Punkte-Programm enthält nicht viel Neues - und das was neu ist, kann von der Leyen nicht alleine umsetzten, sie wird auf die Mitgliedsländer angewiesen sein. Zum Beispiel bei dem Vorschlag, Flüchtlinge von Lampedusa zu holen und in der EU zu verteilen. "Wir werden stärker die Verteilung der Flüchtlinge unterstützen und wir fordern die Mitgliedsländer auf, den freiwilligen Solidaritäts-Mechanismus anzuwenden und Flüchtlinge aus Italien aufzunehmen," mahnte von der Leyen auf der Insel.
Tatsächlich klappt es nicht besonders gut mit dem freiwilligen Solidaritäts-Mechanismus. Auch Deutschland hat dieses Programm vorerst gestoppt und nimmt keine zusätzlichen Flüchtlinge aus Italien auf. Der Grund: Die Regierung in Rom weigert sich, ihre Zusagen einzuhalten - sie müsste eigentlich die Schutzsuchenden zurücknehmen, die illegal von Italien nach Deutschland weitergezogen sind. Mehr als 12.400 solcher Fälle gab es dieses Jahr. Von den 12.400 sogenannten Übernahmeersuchen wurden gerade mal zehn Schutzsuchende von Italien akzeptiert.
Weitere Verhandlungen mit Italien
Bundesinnenministerin Nancy Faeser arbeitet an einer Lösung zusammen mit ihren Innenministerkollegen aus Frankreich und Spanien. Im Bericht aus Berlin erklärte sie, man werde einen gemeinsamen Aktionsplan auf den Weg bringen, um Italien einerseits humanitär zu unterstützen und auf der anderen Seite Migration dort besser steuern zu können. "Insofern ist es richtig, jetzt mit diesen Ländern gemeinsam nach Lösungen zu suchen", so Faeser.
In dem Interview hörte sich das noch etwas nebulös an - und das ist es vielleicht auch. Völlig offen ist nämlich, ob Deutschland, Frankreich und Spanien jetzt der Regierung in Italien helfen, obwohl die sich nicht an die Absprachen hält. Heute soll weiter verhandelt werden.
Vergleichsweise konkret ist dagegen von der Leyens Ankündigung, die Marine-Einsätze auszuweiten. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex soll stärker als bisher die EU-Außengrenzen im Mittelmeer überwachen. Bundesinnenministerin Faeser würde das unterstützen: "Wir werden das nicht anders machen können. Ansonsten kriegen wir die Migrationslage nicht in den Griff", so die Ministerin.
Gemeinsames Ziel: gegen Schleuser vorgehen
In den Griff bekommen wollen alle EU-Innenminister vor allem die Schmuggler und Schleuser, die Flüchtlinge gegen viel Geld in klapprigen Booten auf das Mittelmeer lotsen und sie dort ihrem Schicksal überlassen. Aber gegen die Schleuser können die Europäer allein wenig ausrichten. "Wir müssen unsere Anstrengungen in der Bekämpfung der Schmuggler verstärken," sagte von der Leyen in Lampedusa. Aber sie fügte auch hinzu: Ohne Kooperationen mit den Herkunfts- und Transitländern in Afrika sei dem brutalen Geschäft nicht beizukommen.
Das Problem: Die wenigsten dieser Länder Afrikas sind auch nur halbwegs verlässliche Partner, viele werden regiert von Diktatoren oder Militärs. Einige Hoffnungen hat Brüssel in die Kooperation mit Tunesien gesetzt. Denn von Tunesien brechen besonders viele Flüchtlinge auf Booten in Richtung Italien auf. Tunesische Sicherheitskräfte sollen gestärkt, die Küstenwache besser ausgerüstet werden.
Allerdings ist auch das nicht ohne Risiko - erst Ende Juli waren es tunesische Sicherheitskräfte, die Gruppen von Flüchtlingen einfach in der Wüste ausgesetzt hatten. Die Brüsseler Kommission will so etwas durch konkrete Abmachungen verhindern. Aber das bedeutet eben auch, dass es noch dauern kann.