Aufnahme von Flüchtlingen aus Italien Deutschland bleibt doch beim Nein - vorerst
Deutschland will vorerst weiter keine Migranten aus Italien aufnehmen. Das Bundesinnenministerium stellte nun klar, dass der freiwillige EU-Solidaritätsmechanismus zur Übernahme von Geflüchteten ausgesetzt bleibe.
Deutschland hält daran fest, vorerst keine weiteren Migranten aus Italien über den freiwilligen Solidaritätsmechanismus aufzunehmen. Derzeit würden keine Interviews zur Vorbereitung von weiteren Übernahmen aus Italien stattfinden, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.
Es gebe aber noch einige Migranten, die das Verfahren bereits durchlaufen hätten und übernommen würden. Der Sprecher fügte hinzu, die Interviews zur Vorbereitung von Übernahmen könnten "jederzeit wieder aufgenommen" werden.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte am Freitagabend in der tagesschau mit Blick auf die Ankunft zahlreicher Migranten auf Lampedusa gesagt, es sei "natürlich klar, dass wir unseren solidarischen Verpflichtungen auch nachkommen". Dies hatte die Frage aufgeworfen, ob Deutschland nun wieder das freiwillige Aufnahmeprogramm fortsetze.
Faeser berät sich mit Amtskollegen
Der Sprecher ihres Ministeriums erklärte: "Die Bundesinnenministerin hat betont, dass sich Deutschland immer solidarisch gezeigt hat und dies auch weiter tun wird. Wir sehen die Lage in Lampedusa mit großer Sorge." Deutschland werde "seiner humanitären Verantwortung durch die Aufnahme und Versorgung einer großen Zahl von Geflüchteten gerecht", sagte er weiter. "Das gilt auch für Aufnahmen über den freiwilligen Solidaritätsmechanismus".
Angesichts der Lage auf Lampedusa beriet sich Faeser mit ihren Amtskollegen aus Italien, Frankreich und Spanien. Die Telefonkonferenz, an der auch EU-Innenkommissarin Ylva Johansson teilnahm, brachte jedoch kein konkretes Ergebnis, teilte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage mit. Faeser habe die humanitäre Unterstützung Deutschlands angeboten. Dies werde nun geprüft. Italiens Innenminister Matteo Piantedosi forderte laut Mitteilung, eine "neue operative Strategie", die darauf abziele, konkrete Initiativen zu ergreifen, um die Überfahrten zu stoppen.
Aufnahmeprogramm seit August ausgesetzt
Die Bundesregierung hatte das freiwillige Aufnahmeprogramm im August ausgesetzt - auch aus Protest dagegen, dass Italien sich derzeit gegen die Rücknahme von Geflohenen nach den sogenannten Dublin-Regeln sperre. Diese sehen vor, dass Asylsuchende, die unerlaubt in einen anderen Mitgliedsstaat weiterziehen, in der Regel wieder in den Erst-Einreisestaat zurückgebracht werden.
Im Rahmen der freiwilligen Aufnahme hatte Deutschland zugesagt, bis zu 3.500 Schutzsuchende aus Staaten an der südlichen EU-Außengrenze aufzunehmen, wo derzeit besonders viele Migranten ankommen. Laut Bundesinnenministerium wurden bislang mehr als 1.700 Schutzsuchende aufgenommen - rund 1.000 davon aus Italien. Weitere hätten bereits eine Zusage für die Aufnahme erhalten, die nicht von der Aussetzung des Programms betroffen seien.
Meloni appelliert an die EU
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sieht die EU in der Pflicht, das Mittelmeerland zu unterstützen. Sie forderte etwa eine europäische Mission, um Migrantenboote auf dem Weg nach Europa zu stoppen. Falls nötig, müsse die Marine eingesetzt werden, sagte die Rechtspolitikerin in einer Videobotschaft. Nach ihrer Vorstellung sollten die Menschen bereits in Nordafrika vom Ablegen abgehalten werden. Ein solcher Einsatz müsse "sofort" starten, forderte sie.
Die Lage in Italien angesichts des Flüchtlingszuzugs sei "unerträglich", sagte Meloni. Sie warnte davor, dass sich "Dutzende Millionen Afrikaner" auf den Weg nach Europa machen könnten - "und dass Italien und Europa diese enorme Menge nicht werden aufnehmen können".
6.800 Menschen in Erstaufnahmelager
Seit Wochenbeginn haben Tausende Migranten mit Booten Lampedusa erreicht. Auch am Samstag erreichten Boote mit mehr als 600 Geflüchteten an Bord die Insel, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Schon am Morgen seien 120 Menschen auf drei Booten angekommen. Am Mittag folgten demnach zehn weitere Boote mit etwa 500 Insassen. Allein am Dienstag waren mehr als 5.000 Menschen auf Lampedusa angekommen - so viele wie noch nie an einem einzigen Tag. Zeitweise war das Erstaufnahmelager mit etwa 6.800 Menschen maßlos überfüllt.
Sie werde hart gegen den Anstieg der Ankünfte - vor allem auf Lampedusa - vorgehen, betonte Meloni. Sie habe den Präsidenten des Europäischen Rats, Charles Michel, gebeten, das Migrationsthema auf die Tagesordnung des EU-Gipfels im Oktober zu setzen. Die Regierungschefin betonte die Wichtigkeit des geplanten Abkommens mit Tunesien. Die vereinbarten finanziellen Mittel müssen nach ihren Worten schnellstmöglich übertragen werden, um den Deal zu beschleunigen.
Von der Leyen reist nach Lampedusa
Meloni lud EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Lampedusa ein, "um sich persönlich den Ernst der Lage, in der wir uns befinden, bewusst zu machen". Ein Sprecher von der Leyens sagte der Nachrichtenagentur dpa am Rande einer Veranstaltung in Hanau, die Kommissionschefin werde am Samstag zunächst nach Rom und später mit Meloni nach Lampedusa reisen. Ein weiterer Kommissionssprecher teilte kurze Zeit später über die Plattform X, früher bekannt als Twitter, mit, die Reise auf die Insel sei für Sonntag vorgesehen.
Italiens Regierungschefin Meloni will als erste Reaktion das Höchstmaß der Haftdauer in Abschiebungshaftanstalten anheben. In einer Kabinettssitzung am Montag wolle sie die Maßnahmen beschließen, kündigte sie an. Italien wird seit Oktober 2022 von einer Rechtsallianz unter der Führung der ultrarechten Meloni regiert. Die Politikerin versprach, die Migration nach Italien einzuschränken. Bislang konnte sie das Wahlversprechen nicht erfüllen.