Landminen-Bericht Zahl der Minenopfer weiterhin hoch
Mehr als 5500 Menschen sind im Jahr 2021 durch Landminen getötet oder verletzt worden - drei Viertel waren Zivilisten. Allein Russland setze sieben verschiedene Arten der international geächteten Waffen ein, heißt es im Landminen-Bericht.
Auf der "Place des Nations" vor dem UN-Sitz in Genf erinnert ein riesiger Stuhl jeden Tag an die Opfer von Landminen: Der "Broken Chair" - ein Stuhlbein ist kaputt und nur noch ein abgerissener Stummel übrig. Als sei der Stuhl von einer Mine erwischt worden, die ihm wie den menschlichen Opfern den Körper zerfetzt hat.
Mindestens 5544 Menschen wurden im vergangenen Jahr von Landminen verletzt oder getötet. Die Zahl steht im neuen "Landmine Monitor", dem Jahresbericht der internationalen Kampagne für das Verbot von Landminen. Die meisten Toten und Verletzten gab es in Syrien, das zum dritten Mal in Folge die düstere Minenopfer-Statistik anführt. Gefolgt von Afghanistan.
Zahlreiche Minenopfer in der Ukraine
Und auch in Europa zerstören Landminen Körper und Leben: In seinem Angriffskrieg in der Ukraine habe Russland mindestens sieben verschiedene Arten von Anti-Personen-Minen eingesetzt, heißt es im "Landmine Monitor", den Marion Loddo als Herausgeberin in Genf präsentierte: "Minenopfer sind immer vor allem Menschen aus der Zivilbevölkerung, die Hälfte davon Kinder. So ist es auch in der Ukraine. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs hat sich die Zahl der Minenopfer in der Ukraine verfünffacht im Vergleich zum Vorjahr."
164 Länder haben den Minenverbotsvertrag von 1997 unterschrieben, die sogenannte Ottawa-Konvention. Von 32 Staaten fehlen aber die Unterschriften noch, darunter Russland. Der massive Einsatz von Anti-Personen-Minen in der Ukraine ist also kein Vertragsbruch, wohl aber ein Tabubruch.
Massiver Einsatz von Anti-Personen-Minen
Der "Landmine Monitor" spricht von einer "beispiellosen Situation". Russland, ein Land, das den Minenverbotsvertrag nicht unterschrieben hat, verwendet die heimtückischen Waffen auf dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates - der Ukraine. "Das ist dramatisch", sagt Loddo. "Diese Minen sind verboten. Das sind verbotene Waffen. Und vor allem hindern sie die Zivilbevölkerung daran, sich sicher im Land zu bewegen."
Russland ist nicht das einzige Land, das wieder neu und massiv Anti-Personen-Minen einsetzt. Der Bericht nennt auch Myanmar. Dort habe das Militärregime Gelände rund um Mobilfunkmasten, Pipelines und Rohstoffunternehmen umfassend vermint. Auch nichtstaatliche bewaffnete Gruppen setzen nach dem Bericht verstärkt Landminen ein - unter anderem in der Demokratischen Republik Kongo, in Indien und in Kolumbien.
Versteckte Gefahr für Jahrzehnte
Landminen bleiben nach dem Ende eines Krieges oft noch jahrzehntelang eine Gefahr. Sie werden direkt unter der Erdoberfläche verlegt oder in Pflanzen versteckt. Und sie explodieren meist unabsichtlich durch die Berührung eines Menschen. Neben den durch die Ottawa-Konvention verbotenen Anti-Personen-Minen gibt es auch Anti-Fahrzeug-Minen. Diese fallen nicht unter das Verbot, treffen aber auch oft unschuldige Menschen.
In mehr als 60 Staaten und Gebieten, so der aktuelle "Landmine Monitor", töten und verletzen die Minen weiterhin Menschen und zerstören Lebensgrundlagen. Und trotz internationaler Ächtung werden Anti-Personen-Minen immer noch hergestellt. Elf Länder nennt der neue Bericht als aktive Produzenten. Loddo erklärt: "Diese elf Länder sind alle dem Minenverbotsvertrag nicht beigetreten. Eine sehr gute Nachricht ist, dass die USA - die bislang auch auf dieser Liste waren - seit Juni 2021 keine Anti-Personen-Minen mehr herstellen. Aber wir wissen, dass zum Beispiel Indien und Russland weiter Minen produziert haben."
25 Jahre nach der Schaffung des Minenverbotsvertrags seien die Aussichten "herausfordernd", so Loddo. Auch mit Blick auf die chronisch unterfinanzierten Budgets für Opferhilfe und Minenräumung in verseuchten Gebieten: "Es gibt immer weniger Mittel für die Minenräumung. Das muss sich ändern. Das ist unsere Forderung für die Jahreskonferenz der Vertragsstaaten kommende Woche in Genf. Was wir jetzt brauchen, ist sofortiges und koordiniertes Handeln."