Waffenlieferungen an die Ukraine Was ändern die Marschflugkörper?
Ein "Gamechanger" sollen die Marschflugkörper sein, die Großbritannien nun in die Ukraine schickt. Doch wie könnten sie tatsächlich eingesetzt werden - und was bedeuten sie für den Kriegsverlauf?
Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace war voll des Lobes über die Entscheidung seiner Regierung, der Ukraine Raketen vom Typ "Storm Shadow" zu liefern. Das verschaffe der Ukraine die "beste Chance", sich gegen "die anhaltende Brutalität Russlands zu verteidigen".
Auch in den US-Militärkreisen wurde die Entscheidung mit markanten Worten gelobt: Von einem "Gamechanger", einem Paradigmenwechsel, war da die Rede. Wann die Raketen die Ukraine erreichen, blieb allerdings unklar. Wallace sprach vage davon, dass sie "jetzt ins Land gebracht oder sich dort befinden" würden. Und ebenso unklar bleibt, wann sie eingesetzt werden können.
Große Sprengladung, schwer abzufangen
Die "Storm Shadow"-Marschflugkörper wurden 1997 gemeinsam von Frankreich und dem Vereinigten Königreich entwickelt und haben nach Angaben des Herstellers MBDA eine Reichweite von mehr als 250 Kilometern. Das erweitert die Möglichkeiten der Ukraine.
Aktuell setzt die Ukraine bereits in großem Umfang "HIMARS"-Systeme mit Raketen mit einer Reichweite von etwa 80 Kilometern ein. Die Ukraine könnte mit dem britischen Marschflugkörpern unter anderem die von Russland annektierte ukrainische Halbinsel Krim angreifen.
Die niedrig fliegenden "Storm Shadows" tragen eine große Sprengladung, haben eine hohe Zielgenauigkeit und gelten als schwer abzufangen.
Entsprechende Flugzeuge fehlen
Der ukrainische Militärexperte Ihor Romanenko macht jedoch auf noch etwas aufmerksam: Im Gegensatz zu den "HIMARS"-Raketensystemen, die die Ukraine bislang vor allem eingesetzt hat, werden die "Storm Shadows" von Flugzeugen gestartet.
Entsprechende Flugzeuge habe die NATO noch nicht an die Ukraine geliefert, das wäre dringend nötig, meint Romanenko. Doch bis es so weit sei, müsse die Ukraine die "Storm Shadows" "irgendwie an die Flugzeuge der sowjetischen Flotte anpassen".
Mögliche Ziele
Diese Anpassung müsse jetzt schnell geschehen, noch vor den geplanten "offensiven Aktionen" der ukrainischen Streitkräfte. Es sei notwendig, "auf eine Entfernung von 200 und mehr Kilometern zu treffen".
Denn die russische Armee hätte bereits, so Romanenko, militärisch wichtige Ziele verlagert. "Wir müssen beispielsweise ihre Munitions- und Treibstofflager oder logistische Versorgungswege angreifen."
Deshalb fordern ukrainische Politiker schon lange Waffenlieferungen, die die Fähigkeiten der Armee erhöhen, die russische Armee auch hinter ihren Linien anzugreifen. Dies wurde ihnen aber vor allem von den USA bislang verweigert.
USA bislang gegen Marschflugkörper
Auf entsprechende Bitten hieß es bislang stets, man werde keine Waffen mit großer Reichweite an die Ukraine liefern. Jetzt, da die ukrainischen Streitkräfte laut vielen Quellen eine Gegenoffensive vorbereiten, um von Russland kontrollierte Gebiete im Osten und Süden des Landes zurückzuerobern, nimmt das Vereinigte Königreich eine andere Haltung ein - nicht zum ersten Mal.
Zwar seien die USA in Sachen Quantität immer noch der wichtigste Partner der Ukraine, meint Romanenko. Doch bei der Qualität der gelieferten Waffensysteme sei das Vereinigte Königreich "an der Spitze". Nicht nur wegen der Marschflugkörper des Typs "Storm Shadow", auch die Panzer, der "Challenger-2", sei enorm hilfreich. Man sei den politischen Führern in London "sehr dankbar für diese Unterstützung".
Kreml kündigt "entsprechende Lösungen" an
In Russland fällt das Echo naturgemäß anders aus. Kremlsprecher Dmitri Peskow kündigte an, das russische Militär werde darauf "sicherlich aus militärischer Sicht entsprechende Lösungen finden".
Olexij Danilow, vom Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine, reagierte bereits. Alle Versuche Russlands, die Ukrainer und die Welt mit einer "sogenannten angemessenen Antwort einzuschüchtern", seien nicht mehr wert als Selbstgespräche.
"Alles, was Putin nutzen konnte, hat er genutzt", so Danilow. Russland sei ohne westliche Entwicklungen und Investitionen nicht mehr viel wert.