Melonis politische Herkunft Wenn Vergangenheit weißgewaschen wird
Zum ersten Mal hat sich Italiens Regierungschefin Meloni detailliert zu ihrer politischen Herkunft geäußert. Dabei bezeichnete sie die neofaschistische MSI als einst wichtigen Teil der italienischen Demokratie.
Lange ist sie dem heiklen Thema ausgewichen. Jetzt hat sich Giorgia Meloni erstmals ausführlich geäußert zu der Partei, in der sie ihre politische Karriere begonnen hat - die neofaschistische Movimento Sociale Italiano, kurz MSI. Melonis Strategie: Vorwärtsverteidigung.
Die MSI, behauptete die Regierungschefin in ihrer Jahresabschluss-Pressekonferenz, sei immer Teil des demokratischen Italiens gewesen. Sie erklärte: "Sie war eine Partei, mit der man einverstanden sein kann oder nicht. Aber sie war eine Partei der demokratischen Rechten des demokratischen und republikanischen Italiens."
Schönreden der politische Biografie?
Pietro Ignazi, einer der wichtigsten Parteiforscher Italiens, schüttelt mit dem Kopf. Der emeritierte Politikprofessor der Universität Bologna und Autor zahlreicher Bücher zum italienischen Parteiensystem wirft Meloni vor, ihre politische Biografie schönfärben zu wollen.
Die MSI hat sich nicht beteiligt an der Ausarbeitung der demokratischen Verfassung. Sie hatte immer eine radikale Veränderung des politischen Systems zum Ziel.
Die Italienische Sozialbewegung - MSI - sei im Dezember 1946 gegründet worden, erklärt Ignazi. "Sie ist eine Partei, die immer außerhalb des Verfassungsbogens stand."
MSI-Vorsitzender war Teil der letzten Mussolini-Regierung
Einer der Gründer und späteren Vorsitzenden der MSI, Giorgio Almirante, war Teil der letzten Regierung Mussolinis. Andere führende Mitglieder der MSI wurden verhaftet, weil ihren vorgeworfen wurde, sie wollten die faschistische Partei wieder aufbauen.
Für Politikwissenschaftler Ignazi ist es keine Frage der Definition der Partei, in der Meloni ihre politische Karriere begonnen hat. Er sagt: Sie war eine neofaschistische Partei - und zwar eine, die für sich "eine Kontinuität mit dem Faschismus beansprucht" hat.
"Der langjährige MSI-Führer Almirante sagte immer, man dürfte die Vergangenheit nicht verleugnen. Und nicht verleugnen, bedeutet in diesem Fall akzeptieren. Eine Vergangenheit, die eine anti-liberale und anti-demokratische Vergangenheit war", erklärt der Politikwissenschaftler.
Meloni verteidigt frühere Partei
Meloni aber verteidigte ihre politische Herkunft bei der Pressekonferenz mehrfach mit der Behauptung, die MSI sei demokratisch gewesen.
Außerdem argumentierte sie, ihre ehemalige Partei habe das Abrutschen vieler Systemgegner in den Terrorismus verhindert. "Sie war eine Partei, die meiner Ansicht nach auch eine sehr wichtige Rolle darin gehabt hat, politische Gewalt, den Terrorismus zu bekämpfen". Die Partei habe ein Verantwortungsbewusstsein gehabt, Personen zu begleiten, "die ansonsten vielleicht andere Entscheidungen getroffen hätten", sagte Italiens Regierungschefin.
"Demokratische Dynamik"
Meloni sagte zudem, die MSI sei immer in der "demokratische Dynamik" Italiens präsent gewesen. Als Beispiel nannte die Regierungschefin die stete Beteiligung der MSI an den Wahlen der Staatspräsidenten.
Dies, entgegnet Parteienforscher Ignazi, seien schlicht falsche Fakten. Er führt aus: "Die MSI hat einmal die Wahl eines Staatspräsidenten mitgetragen, 1971, bei der Wahl Giovanni Leones. Als die MSI 1960 erstmals eine Regierung mitgewählt hat, die Regierung Tambroni, ist es zu einem derartigen Aufstand in der öffentlichen Meinung gekommen, dass diese Regierung gezwungen war, zurückzutreten."
Meloni trat in den 1990ern ein
Meloni trat Anfang der 1990er-Jahre in die MSI ein. TV-Aufnahmen aus dieser Zeit zeigen, wie sie damals in einer Parteisektion unter einem Mussolini-Plakat arbeitet.
Vor wenigen Tagen hatte der neue Senatspräsident Ignazio La Russa aus der Meloni-Partei für Schlagzeilen gesorgt, weil er in den sozialen Medien an den Jahrestag der Gründung der MSI erinnerte. Die MSI, sagt Meloni, sei keine Geschichte, für die man sich schämen müsse - und berief sich dabei auf das Ergebnis der vergangenen Parlamentswahl.
Nicht die einzige mit diesem Hintergrund
Meloni sagte: "Heute gibt es einige Regierungsmitglieder und höchste Staatsrepräsentanten, die aus dieser Erfahrung kommen". Sie seien dorthin gekommen durch eine demokratische Wahl. "Das heißt, dass die Mehrheit der Italiener diese Geschichte nicht als nicht präsentabel ansehen", folgert die italienische Regierungschefin.