Armeeparade in Warschau Polen setzt auf militärische Abschreckung
Jedes Jahr am "Tag der polnischen Armee" findet eine Militärparade in Warschau statt. Seit Russland das Nachbarland Ukraine angegriffen hat, kommt der Veranstaltung eine neue Bedeutung zu.
Eine riesige polnische Flagge segelt vom Himmel. Fallschirmjäger springen über Warschau ab. Unten stehen etwa 2.000 Soldatinnen und Soldaten in der Sonne. Einige haben die Augen geschlossen, andere schwanken schon leicht, als Präsident Andrzej Duda im Jeep vorbeifährt und die Parade abnimmt.
Der "Tag der polnischen Armee". Eigentlich geht es darum, des sogenannten Wunders an der Weichsel zu gedenken - einem Sieg der polnischen gegen die sowjetische Armee vor Warschau 1920. Der Gegner von damals ist auch der von heute, erklärt Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz:
Der Feind hat die Worte, aber nicht die Melodie geändert, zu der er die nächsten Gegner, die nächsten Länder, Freiheit, Demokratie und Unabhängigkeit angreift. Heute in der Ukraine. Wir müssen auf alle Szenarien vorbereitet sein.
"Wir leben in Zeiten des Krieges"
Die Angst, Russland könnte nach dem Angriff auf die Ukraine auch NATO-Gebiet, auch Polen, angreifen, ist spürbar. Schon jetzt gibt es digitale Angriffe, Sabotageversuche. Und auch die von Belarus an die polnische Grenze gebrachten Geflüchteten sieht die Regierung als Teil eines hybriden Angriffs.
Gerade wurde ein Gesetz verabschiedet, das den Grenzschützern mehr Freiheit beim Gebrauch von Schusswaffen gibt. "Wir leben in Zeiten des Krieges", sagt Premierminister Donald Tusk. "Ich erkläre heute: Wir tun gemeinsam jeden Tag alles dafür, damit Polen, die polnische Armee, damit Polinnen und Polen nie mehr auf ein Wunder zählen müssen."
Kein NATO-Land investiert so viel wie Polen
Kampfjets und "Apache"-Hubschrauber fliegen über die Menge, "Leopard"-, "Abrams"- und neu angeschaffte koreanische "K2"-Panzer rollen die Straße entlang, frisch eingekaufte HIMARS-Raketenwerfer, Panzerhaubitzen - alles, was das polnische Militär zu bieten hat. Kein anderes NATO-Land investiert im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung so viel in die Verteidigung wie Polen. Und es soll mehr werden.
Am Straßenrand stehen Familien, kleine Kinder winken den Soldaten zu. Zuschauer Andrzej beruhigt, was er hier sieht: "Im Ernstfall nehme ich auch die Uniform und gehe für mein Land kämpfen. Die Angst ist schon da. Wir waren letztes Jahr auch hier und man sieht, dass sich die Armee weiterentwickelt."
Seit Russland das Nachbarland Ukraine angegriffen hat, kommt der Militärparade am "Tag der polnischen Armee" eine neue Bedeutung zu.
Niemand dürfe wagen, Polen anzugreifen
Die NATO sei Polens Lebensversicherung, das hört man hier immer wieder. Aber während Polen die Armee zur absehbar größten konventionellen Europas aufbaut, tun andere zu wenig, findet Zuschauerin Jadwiga.
"Putin macht alles, also müssen wir auch alles tun. Die Deutschen investieren ja nicht so richtig in die Armee. Die muss man verdammt noch mal anschieben. Es kann ja nicht sein, dass wir am Ende statt der Deutschen kämpfen müssen."
Zerstritten wie das Land politisch ist: An diesem Tag ist kaum Kritik zu hören. Stattdessen Applaus, als der sonst bei vielen so unbeliebte Präsident Duda erklärt, aus dem Angriff auf die Ukraine könne man nur einen Schluss ziehen: Polen müsse sich so bewaffnen, dass niemand jemals wagt, das Land anzugreifen.