Nach zwei Jahren Regierungskrise Eine Regierung für Nordirland in Sicht
Zwei Jahre lang boykottierte die wichtigste protestantische Partei die Regierungsbildung in Nordirland. Nun gibt sie ihr Veto auf. An die Macht kommen dürfte damit Sinn Fein, die die Vereinigung mit Irland anstrebt.
Seit über 700 Tagen gibt es keine Regionalregierung in Nordirland. Wichtige politische Entscheidungen konnten nicht getroffen werden - beispielsweise haben die staatlichen Bediensteten und Lehrer in England längst Gehaltserhöhungen bekommen. In Nordirland konnte eine entsprechende Einigung nicht verhandelt werden, weil es keine Regierung gab.
Im staatlichen Gesundheitsdienst ist die Belastung der Fachkräfte erneut enorm gestiegen, Wartezeiten für Patientinnen und Patienten sind auf dem Höchststand. Christine Campbell musste fünf Monate auf einen Hausarzttermin warten, dann wurde Krebs diagnostiziert: "Vor allem arme Menschen sind einem größeren Risiko ausgesetzt, weil es keine Regierung gibt", sagte sie einer Reporterin der BBC.
DUP beendet Blockade
Das soll sich nun ändern. Endlich tritt das Parlament zusammen. Die Hängepartie hat ein Ende. Möglich geworden ist dies durch einen Kompromiss. Die größte unionistische Partei, die DUP, hat ihre Blockade beendet und die Regierung in London konnte einen Deal erreichen. Demnach sollen Waren, die von England, Wales oder Schottland aus nach Nordirland gehen, nicht mehr kontrolliert werden.
Sporadische Kontrollen hatte es gegeben. So sollte verhindert werden, dass Güter aus Großbritannien über Nordirland in die Republik Irland und damit in den Europäischen Binnenmarkt gelangen, die nicht den europäischen Standards entsprechen. Dieses Problem soll nun behoben sein.
Das war den Unionisten, die sich für den Verbleib Nordirlands im Vereinigten Königreich einsetzen, besonders wichtig. Sie fürchten die schrittweise Loslösung von Großbritannien und sahen die Grenzkontrollen innerhalb des Vereinigten Königreichs als Hindernis für Unternehmen und vor allem als Signal der Trennung.
Der Weg ist nun also frei für ein neues Parlament und eine Regierung, die im Mai 2022 gewählt worden war, aber nicht zusammentreten konnte.
Sinn Fein will Vereinigung mit Irland
Die neue "First Minister", so etwas wie die Ministerpräsidentin von Nordirland, heißt Michelle O´Neill. Sie ist stellvertretende Parteichefin von Sinn Fein. Die Partei setzt sich für eine Vereinigung mit der Republik Irland ein. Die Wählerschaft ist katholisch geprägt, oft mit irisch-republikanischen Verbindungen.
Dass Sinn Fein 2022 stärkste Kraft wurde, löste ein kleines Erdbeben aus: Es war das erste Mal, dass die republikanischen Kräfte die stärkste Partei im nordirischen Parlament stellen. Zuvor war die London-treue DUP stärkste Kraft. Mary Lou McDonald, Parteivorsitzende von Sinn Fein, formulierte gerade erst wieder, dass die Vereinigung in "greifbarer Nähe" sei.
Viele Nordiren gegen Vereinigung
Es gibt jedoch viele Argumente, die dagegen sprechen, dass eine Vereinigung wirklich so greifbar nah ist. Einem Zusammenschluss müsste ein Referendum voraus gehen. In einer Umfrage für die Zeitung The Times sagten 30 Prozent der Befragten, sie seien für eine Vereinigung, 51 Prozent sind dagegen. Viele Nordiren sind der Meinung, dass der Status quo Sicherheit und Wohlstand sichert.
Der Zusammenschluss wäre politisch anspruchsvoll. Es könnten alte Wunden zwischen den Gemeinschaften aufbrechen. Unterschiedliche Renten- und Krankenversicherungssysteme müssten harmonisiert werden.
In der Republik Irland gibt es durchaus die Position, dass man sich im Falle einer Vereinigung viele Probleme - auch finanzielle Belastungen - ins Haus holt. Doch stärkste Kraft bei den Parlamentswahlen in der Republik Irland könnte auch Sinn Fein werden.