Migration Warum Österreich die EU einzäunen will
Beim aktuellen EU-Gipfel steht das Thema Migration wieder oben auf der Tagesordnung. Eines der Länder, das auf möglichst scharfe Regelungen drängt, ist Österreich. Warum ist der Regierung in Wien das Thema so wichtig?
Österreich gehen die geplanten Änderungen beim EU-Asylrecht nicht weit genug. Oder genauer gesagt: der Österreichischen Volkspartei (ÖVP). Sie besetzt in der schwarz-grünen Regierung die maßgeblichen Ministerien und gibt in der Debatte den Ton an.
Asylverfahren in Drittstaaten
So kündigte etwa Innenminister Gerhard Karner unmittelbar nach der Einigung mit seinen EU-Kollegen auf schärfere Asylregeln an, es bedürfe weiterer Schritte - zum Beispiel Asylverfahren in Drittstaaten, also außerhalb der EU.
Zudem fordert Österreich immer wieder einen "robusten" Grenzschutz. Bundeskanzler Karl Nehammer, ebenfalls ÖVP, will, dass die EU für Zäune und Mauern zahlt, unter anderem in Bulgarien, das eine Grenze zur Türkei hat.
Österreich will sich nicht an Vereinbarung halten
Österreich zeigt sich nicht bereit, Migranten aus Lagern an der EU-Außengrenze aufzunehmen - oder Geld dafür zu zahlen, wenn es keine Migranten aufnimmt. So hatten es die Innenminister eigentlich vereinbart.
Österreich sei in den letzten Jahren solidarisch genug gewesen, heißt es dazu immer wieder aus der ÖVP. Als Argument dient ihr die hohe Zahl der Asylanträge im vergangenen Jahr. Die hatte bei 109.000 gelegen, wie Nehammer bei jeder sich bietenden Gelegenheit betont.
Was Nehammer unterschlägt: Mehr als 40.000 Personen haben sich ihren Asylverfahren entzogen. Die meisten davon dürften Österreich in Richtung anderer Länder verlassen haben. Die reale Zahl ist also um knapp 40 Prozent niedriger als die, mit der die ÖVP argumentiert.
Weltweit größter Wunsch nach weniger Migration
Aber mit dem Thema Migration kann man in Österreich innenpolitisch punkten. Eine Umfrage in diesem Frühjahr zeigte: In keinem Land der Welt ist der Bevölkerung die Verringerung von Migration so wichtig wie in Österreich. Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle sieht die politische Mehrheit in Österreich klar rechts der Mitte.
Seit der Rechtspopulist Jörg Haider in den 1990er-Jahren die politische Bühne betrat, macht die Rechtsaußenpartei FPÖ Dauerstimmung gegen Migration. Die in Teilen rechtsextreme Partei führt die Umfragen in Österreich seit einigen Monaten mit rund 30 Prozent an.
2024 sind Parlamentswahlen. Die Strategie der ÖVP ist es, durch die Übernahme von Themen die Erfolge der FPÖ einzudämmen.
Im Wahlkampf Unterschiede zur FPÖ verwischen
Der Politologe Thomas Hofer sagte dazu im Fernsehsender ORF, die ÖVP habe sich entschlossen, Unterschiede zur FPÖ nicht unbedingt zu fördern, sondern eher zu verwischen. Er sieht das als krampfhaften Versuch der ÖVP, zur alten Positionierung unter Sebastian Kurz zurückzukommen.
Bisher ohne Erfolg. Bei mehreren Landtagswahlen legte die FPÖ in diesem Jahr zu. Auch wenn die Zahl der Asylanträge in Österreich aktuell rückläufig ist: Mit einem Kurswechsel ist bei der ÖVP nicht zu rechnen.
Wien will EU-Kampf gegen Migration nicht finanzieren
Bundeskanzler Nehammer setzt dabei auch auf die Zusammenarbeit mit der postfaschistischen Regierungschefin Italiens Giorgia Meloni. Beide trafen sich am Wochenende beim Europa-Forum Wachau.
Mit Blick auf den heute startenden EU-Gipfel sagte Nehammer in Melonis Richtung, dort werde es darum gehen, für die Union zu kämpfen. Die EU-Kommission müsse man daran erinnern, dass sie für die Mitgliedsstaaten arbeite - und nicht die Mitgliedsstaaten für die Kommission.
Gemeint haben dürfte Nehammer unter anderem den Streit ums EU-Budget. Die EU-Kommission fordert mehr Geld für den mehrjährigen Finanzrahmen bis 2027, auch für den Kampf gegen die illegale Migration. Obwohl Österreich genau diesen Kampf fordert, hat Nehammer den Geldforderungen der EU-Kommission schon eine Absage erteilt.