Chat-Enthüllung in Österreich Wie die FPÖ den ORF auf Linie bringen wollte
Weitere WhatsApp-Chats belegen, wie Politiker der ehemaligen Regierungspartei FPÖ Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich nehmen wollten. Ein Chefredakteur des ORF hat den Sender bereits verlassen.
Hätten Journalisten der "Süddeutschen Zeitung" zusammen mit Reportern des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" damals nicht das "Ibiza-Video" öffentlich gemacht, Österreich wäre heute vielleicht eine andere Republik - mit einem anderen öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Wir erinnern uns: Heinz-Christian Strache, damals Vize-Kanzler bei Sebastian Kurz und Parteichef der rechtspopulistischen FPÖ, träumte, in einer Finca auf Ibiza, wie er die Medien, insbesondere den ORF auf Linie bringen würde - ähnlich wie das Viktor Orbán in Ungarn bei Fernsehen und Radio dort gelungen ist.
ORF-Nachrichtensendung deckt Chats auf
Wie nah die FPÖ diesem Ziel vielleicht gekommen war, vor drei, vier Jahren, hat jetzt die "ZIB" aufgedeckt. Die "Zeit im Bild", das angesehene Nachrichten-Flaggschiff des österreichischen Rundfunks - das am selben Tag seinen Fernseh-Chefredakteur verloren hat, kurz, bevor sie ihm das Misstrauen aussprechen wollte. Alles hängt mit allem zusammen.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien wertet seit einiger Zeit sehr erfolgreich Chats von Beschuldigten aus. Heinz-Christian Straches Smartphone ist so eine Quelle. Ein Sumpf, der immer wieder interessante Blasen wirft.
ORF-Chefredakteur musste gehen
Entdeckt wurde beispielsweise ein Chat von Matthias Schrom, später ORF2-Fernseh-Chefredakteur, der kurz vor Mitternacht vom damaligen FPÖ-Vizekanzler Strache aufgeschreckt wurde, weil dem die Nachrichten nicht gefallen haben. Schrom empfahl Strache weiter zu den eigentlich Zuständigen. Im ORF brach ein Sturm der Entrüstung aus.
Schrom, der vielen auch als guter Chefredakteur galt, gab auf, bevor er aufgegeben wurde: "Mit tut das persönlich unheimlich leid und wirklich auch weh, weil es eine große Ehre war, mit dieser Redaktion zusammenzuarbeiten", sagt Schrom und betonte, er sehe sonst keine Möglichkeit, wieder Ruhe in die Redaktion zu bringen.
Der zurückgetretene ORF-TV-News-Chefredakteur Matthias Schrom
"Verheerend", der Eindruck, sagte Roland Weißmann, ORF-Generaldirektor seit Januar. Er muss sich jetzt um den journalistischen Ruf des ORF sorgen, Weißmann sagt: Der Rücktritt war richtig - und wichtig: "Ich zolle ihm Respekt für die Arbeit der vergangenen vier Jahre, die untadelig war", sagt Weißmann, verweist aber auch auf die Unabhängigkeit und die Glaubwürdigkeit des ORF, die diesen Schritt nötig gemacht hätten.
"Da muss wer rausgeschmissen werden!!!!"
Es gibt noch andere Chats. Ein FPÖ-Freundeskreis tauschte sich in einer WhatsApp-Gruppe aus, wie man den ORF in den rechtspopulistischen Griff bekommen könnte. Schlüsselfigur: Norbert Steger, früher auch schon mal FPÖ-Vizekanzler und FPÖ-Parteichef - damals aber (2018/19) war er Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats. Das ist das mächtige Aufsichtsgremium des ORF, das im wesentlichen von der österreichischen Bundesregierung, den Landesregierungen und dem Parlament besetzt wird. Steger chattet da auf WhatsApp, wie der FPÖ geholfen werden könnte, beim ORF:
Ohne Personelles wird trotzdem kein einziger FPÖ-Beitrag objektiver oder freundlicher werden! Dazu muss wer rausgeschmissen werden!!!!
Roland Weißmann, damals im Anlauf auf den Generaldirektoren-Posten, wird in den Chats als "korrekter Schwarzer" bezeichnet, protegiert von der ÖVP. Das heißt: Auch ihm misstraute die FPÖ. Angedachtes Gegenmittel: Den mutmaßlichen Neuen an der ORF-Spitze mit FPÖ-Vertrauten einmauern. Strache chattete auf WhatsApp:
Bei ORF-Struktur Zukunft bitte darauf achten:
1) Vorstand: Fernsehen
2) Vorstand: Digital und Radio
3) Finanzen, Personal
4) Zentrale Dienste, Infrastruktur und Landesstudios/Schulung/Markt-/Medienforschung/Öffentlichkeit.
Wir sollten auf 2 3 bestehen.
Betriebsräte sollten Stimmrecht verlassen
Zwei, drei zentrale ORF-Posten für die FPÖ. Stiftungsrat Steger war das aber nicht genug, er will gleich noch eine Brandmauer einreißen:
Bitte, bitte bei Verhandlungen nicht vergessen: Betriebsräte müssen das Stimmrecht bei Personalentscheidungen im Stiftungsrat verlieren.
Dieter Bornemann ist der Vorsitzende des Redaktionsrates des ORF. Er lächelt irgendwie noch immer freundlich, wiederholt die bekannten Forderungen der Journalistinnen und Journalisten im öffentlich-rechtlichen Sender: "Wenn der Vorsitzende des ORF-Stiftungsrates allen Ernstes schreibt, ORF-Journalisten müssen rausgeschmissen werden, damit die Berichterstattung über seine Partei freundlicher wird, dann ist eine rote Linie überschritten", so Bornemann. Das sei "demokratie-politisch gefährlich" und zeige, dass die Gremien im ORF dringend einen Reformbedarf haben.
Bornemann ist mit dieser Forderung nicht allein. Weniger Parteieinfluss beim ORF ist das Ziel. Auch wenn ORF-Gesetz, Programmrichtlinien und ein Redaktionsstatut ganz gute Dämme sind. Man könnte die Forderung auch anders formulieren: Bitte nicht den erklärten Feind des öffentlich-rechtlichen ORF im eigenen Haus.