Olympische Spiele in Paris Ein Becken, das die Seine sauber halten soll
Schwimmen in der Seine ist eine unappetitliche Angelegenheit: Müll und Unrat dümpeln durch den trägen Fluss in Paris. Ein Rückkhaltebecken soll das Wasser so rein machen, dass olympische Wettkämpfe darin stattfinden können.
Nun ist es also so weit: Die Testphase hat begonnen. Wenn alles gut läuft, soll das gigantische Rückhaltebecken in der Nähe des Bahnhofs Gare d'Austerlitz im Sommer betriebsbereit sein. Der Ingenieur Samuel Colin-Canivez hat leuchtende Augen, wenn er in das 30 Meter tiefe Beton-Bassin hinabsteigt. Es fasst 50.000 Kubikmeter Wasser, so viel wie 20 olympische Schwimmbecken. Es sei dazu da, bei besonders heftigen Regenfällen all das Wasser aufzunehmen, das die Pariser Kanalisation nicht fassen kann, erklärt Colin-Canivez: "Wenn wir es hier sammeln, läuft es nicht so, wie es ist, direkt in die Seine, mit allem Schmutz und Unrat."
Stattdessen werde das Wasser so lange in dem Becken gehalten, bis die Regenfälle vorbei sind. Dann werde es grob gefiltert, in Kläranlagen geleitet und erst dann in die Seine. So machen es andere Städte schon lange.
Jetzt zieht Paris - die am dichtesten besiedelte Großstadt Europas - nach. Das 90 Millionen Euro teure Projekt ist nur ein Baustein im Masterplan für eine saubere Seine und ihren Nebenfluss, die Marne. Insgesamt hat der Staat 1,4 Milliarden Euro ausgegeben, um die Wasserqualität des besonders träge dahinfließenden Flusses nachhaltig zu verbessern.
Unter anderem wurde in modernere Kläranlagen und Schleusen investiert. Derzeit finden nahezu täglich Messungen statt. Vor allem fäkale Verunreinigungen seien gefährlich, erklärt Hydrologe Jean-Marie Mouchel von der Sorbonne Universität. Coli-Bakterien seien ein wichtiger Indikator für die Reinheit des Wassers.
Abwasserableitung für Hausboote
Deshalb ist es so wichtig, dass auch alle Hausboote auf der Seine an das Abwassersystem angeschlossen werden - ein dritter Baustein im Projekt "schwimmbare Seine". Die sogenannten "péniches" liegen malerisch entlang der Pariser Quais, zum Beispiel am Port des Champs Élysée direkt gegenüber der Nationalversammlung. Wenn es viel regnet oder gar Hochwasser gibt, liegen hier schon mal tote Ratten auf dem Weg und neben der Gangway der Hausboote schwappt eine eklige Müllsuppe im Wasser.
Madame Han Ha lebt mit ihrem Mann schon seit über 20 Jahren auf der "India Tango". Sie bedauert, dass die Stadt Paris ihnen erst vor drei Monaten grünes Licht dafür gegeben hat, sich an das Abwassersystem anzuschließen. "Wir wollten das längst machen, aber die Stadt konnte uns nie sagen, wie wir das anstellen sollen", erzählt die Mittfünfzigerin. Jetzt, wo die Olympischen Spiele vor der Tür stehen, gebe es endlich eine Lösung.
Zu den Kosten von rund 5000 Euro schießt die Stadt 4000 Euro dazu. Bis Juli sollen alle Hausboote angeschlossen sein. Madame Ha zieht sich eine Regenjacke über, führt nach draußen auf den Quai und zeigt auf einen grauen Kasten. Dort drin werde das Abwasser aller Boote am Quai gesammelt und dann in die Pariser Kanalisation geführt, eine echte Verbesserung.
Allerdings: Ausgerechnet bei Hochwasser muss Madame Ha das Abwasserrohr entkoppeln, denn sonst könnte die ganze Konstruktion beschädigt werden. "Dann fließt unser Abwasser also doch wieder in die Seine", erklärt sie und zieht etwas ratlos die Schultern hoch.
Auch Macron und Hidalgo wollen baden
Wird die Wette dennoch aufgehen? Werden etwa Triathlon, Para-Triathlon und Schwimm-Marathon tatsächlich in der Seine stattfinden können? Pierre Rabadan ist überzeugt, dass es klappt. Der ehemalige Rugby-Profisportler ist im Pariser Rathaus für den Sport zuständig und hat sich in den vergangenen Monaten regelmäßig mit eigenen Augen angeschaut, wie das Rückhaltebecken am Gare d’Austerlitz Gestalt annimmt.
Die Füße in gelben Gummistiefeln, den Kopf in den Nacken gelegt, steht der Hüne wenige Wochen vor Beginn der Testphase in dem riesigen Beton-Bassin. "Wenn es nicht mehrere Tage am Stück katastrophal heftig regnet, haben wir mit diesem Becken hier die Garantie, dass die Wasserqualität stimmt und wir die Wettkämpfe wie geplant abhalten können", versichert er.
Nach den olympischen Spielen im Jahr 2025 sollen für alle Pariser und Pariserinnen Schwimmstellen in der Seine eröffnet werden. Rabadan hat den Sprung ins Wasser bereits letztes Jahr im Juni einmal gewagt - mitten im Herzen der Stadt; dort, wo die Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele stattfinden wird. "Das war ein toller Moment," schwärmt er. "Paris, dieses Panorama mit seinen Bauwerken und Monumenten schwimmend zu genießen, das wird für alle einzigartig sein!"
Sowohl Bürgermeisterin Anne Hidalgo als auch Staatspräsident Emmanuel Macron haben bereits angekündigt, noch vor der Eröffnung der Spiele ebenfalls in der Seine baden zu gehen.