Parlamentswahl Schweiz rückt weiter nach rechts
Die rechtskonservative SVP ist in der Schweiz seit vielen Jahren stärkste Kraft, bei der Parlamentswahl konnte sie nun zulegen - auf 28,6 Prozent. Ein Debakel gab es für das grüne Lager.
Bei der Parlamentswahl in der Schweiz hat die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) ihre Vormachtstellung ausgebaut. Wie das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) berichtet, kam sie laut Endresultat auf 28,6 Prozent der Stimmen - ein Plus von drei Prozentpunkten. Die Sozialdemokraten (SP), seit langem zweitstärkste Partei, haben einen 20-jährigen Abwärtstrend beendet: Sie legten erstmals seit 2003 wieder zu, um 1,2 Prozentpunkte auf 18 Prozent.
Die einstige christliche Partei CVP, die sich mit einer kleineren Partei zusammenschloss und seit 2021 Mitte heißt, schaffte am Sonntag ein Plus von 0,8 Prozentpunkten auf 14,6 Prozent und zog an der liberalen FDP vorbei, die 0,7 Prozentpunkte verlor und auf 14,4 Prozent kommt.
Große Verlierer der Wahl waren die Grünen: Sie gingen mit 9,4 Prozent durchs Ziel, 3,8 Prozentpunkte weniger. Die Grünliberale Partei (GLP) verlor 0,6 Punkte auf 7,2 Prozent.
Die Wahlbeteiligung lag laut SRF bei nur 46,6 Prozent. Das wird unter anderem damit erklärt, dass die Schweizerinnen und Schweizer viermal im Jahr per Volksabstimmung über zahlreiche Vorlagen entscheiden.
Grünen-Chef Glättli: "Das macht mir große Sorgen"
Aline Trede aus der Grünen-Fraktionsspitze sagte dem Sender: "Das Bittere ist - das Klima hat verloren."
Grünen-Chef Balthasar Glättli sagte - auch mit Blick auf den aggressiven Wahlkampf der SVP: "Wenn man die Migration thematisiert, dann ist das das eine. Aber wenn man das dann mit Flugblättern macht, wo die Zehn-Millionen-Schweiz mit einem Bild illustriert wird, das nur schwarze Menschen zeigt, dann ist das für mich eigentlich eine rassistische Kampagne. Und dass das an der Urne noch belohnt wird, macht mir große Sorgen."
SVP-Vize Dettling: "Kurskorrektur dringend notwendig"
An der Regierungszusammensetzung ändern die Ergebnisse nichts. Seit Jahrzehnten regieren die langfristig wählerstärksten Parteien zusammen, dabei ist auch die SVP.
Für sie war das Thema Zuwanderung der Erfolgsbringer, wie Vizepräsident Marcel Dettling sagte: "Das Volk hat gesprochen, da ist eine Kurskorrektur dringend notwendig." Man sehe "das Resultat der letzten vier Jahre: Der Schlendrian, der geherrscht hat im Bereich Asyl, aber auch im Bereich der gesamten Zuwanderung." Die SVP verlangt unter anderem Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylsuchenden.
"In Krisenzeiten Bedürfnis nach Stabilität"
Der Politikwissenschaftler Michael Hermann hatte die neue Stärke der SVP unter anderem wegen der internationalen Spannungen vorausgesehen. "In Krisenzeiten steigt immer das Bedürfnis nach Stabilität und es gibt weniger Bedarf an Experimenten", sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Gestiegene Preise spielen dabei eine weniger große Rolle als in Nachbarländern. Die Inflationsrate lag in den vergangenen 18 Monaten nie höher als 3,4 Prozent. Das liegt unter anderem an protektionistischen Maßnahmen, die die Preise generell hochhalten, in Krisenzeiten aber angepasst werden und damit Preisschocks auffangen können.
Paradoxerweise ist die SVP sowohl Regierungs- als auch Protestpartei. Sie stellt zwei der sieben Mitglieder der Regierung, des Bundesrats. Neben der SVP sind darin die Sozialdemokratische Partei (SP) und die liberale FDP mit je zwei Sitzen und die christliche Mitte-Partei mit einem Sitz vertreten.
Im Bundesrat gibt sich die SVP rechtskonservativ und trägt Kompromisse mit, im Wahlkampf ist sie rechtspopulistisch, etwa mit Initiativen wie zurzeit gegen die Einwanderung und für eine striktere Neutralität, die etwa Sanktionen gegen Russland verbieten würde. So fällt sie der Regierung immer wieder in den Rücken. "Das Doppelspiel ist sehr etabliert und akzeptiert", sagte Hermann.
Mit Informationen von Kathrin Hondl, ARD-Studio Genf.