Polen und EU Drohgebärden im Streit um ukrainisches Getreide
Nach zähem Ringen hatten die EU und Polen im April eine Einigung erzielt, um weiterhin die Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine zu ermöglichen. Doch dieser Kompromiss läuft aus - und Polen verfällt erneut in Drohgebärden.
In einem Wahlkampfspot von Mateusz Morawiecki, dem polnischen Ministerpräsidenten, heißt es: "Als es darum ging, unseren Nachbarn zu helfen, haben wir unsere Herzen und Häuser geöffnet. So sind die Polen." Weiter heißt es jedoch auch: "Aber wenn um polnische Interessen gekämpft werden muss, garantiert nur die PiS-Regierung, dass die Interessen unserer Bauern verteidigt werden."
Ein politischer Spagat. Im Frühjahr hatten polnische Landwirte gegen die Einfuhr von ukrainischem Getreide und Mais protestiert, weil die Importe die heimischen Preise gedrückt hatten. Gleichzeitig gehört die Unterstützung für die Ukraine spätestens seit dem russischen Angriff de facto zur polnischen Staatsräson.
Weil die üblichen Exportwege für ukrainische Landwirtschaftsprodukte über das schwarze Meer durch Russland versperrt sind, hatte die EU sogenannte Solidaritätskorridore eingerichtet, also Zölle für die Einfuhren in die EU abgeschafft, unter der Annahme, dass das Getreide die EU-Länder als Transit durchquert und dann in seinen Zielländern in Afrika landet. Landwirtschaftsprodukte sollten somit durch Polen geleitet werden, aber nicht dort auf den Markt gelangen. Weil das nicht gelang, verhängte Polen im April einseitig einen kompletten Einfuhrstopp.
EU-Regelung läuft aus
Wie ernst es Warschau damit ist, betonte am Mittwoch erneut Landwirtschaftsminister Robert Telus: "Wenn wir heute keine Regelungen dafür finden, wird Polen mit Sicherheit keinem EU-Beitritt der Ukraine zustimmen. Wir müssen heute Regelungen finden, denn wir werden noch länger mit den ukrainischen Produkten leben müssen."
Im Frühjahr hatte man eine Lösung gefunden: Gemeinsam mit anderen ostmitteleuropäischen Ländern hatte Polen in Brüssel erfolgreich auf eine Einfuhrregelung gedrängt, die eben den Transit, aber nicht den Import der Produkte vorsieht.
Die Regelung läuft nun aber aus. Die polnische Regierung fordert, dass sie verlängert wird. Andernfalls werde man eben wieder eigenständig die Grenzen schließen, erklärte Morawiecki in dieser Woche. "Wir warten nicht auf Zustimmung aus Berlin und durch Brüsseler Beamte, wenn es um die Verteidigung polnischer Interessen geht, der Sicherheit polnischer Familien und polnischer Landwirte", so der Ministerpräsident: "Die Ukraine muss verstehen, dass die Sicherheit Polens genauso wichtig ist wie ihre Sicherheit."
"Getreide hat uns überflutet"
Auch die meisten polnischen Oppositionsparteien fordern eine Verlängerung der EU-Einfuhrregelung, werfen der Regierung in Warschau aber vor, dass Problem lange ignoriert zu haben und erst jetzt - im Wahlkampf - aufgewacht zu sein.
Morawiecki sagte zwar, er werde Polen "gegen ukrainisches Getreide verteidigen", sagt Michał Kołodziejczak, der Vorsitzende der Landwirtschaftspartei AgroUnia. Doch "dieses Getreide ist schon bei uns, hat uns überflutet". Schon vor anderthalb Jahren habe der damalige Landwirtschaftsminister behauptet, Polen müsse keine Angst haben. "Damals hätte man schon reagieren müssen, nicht jetzt mit einem Video", kritisiert Kołodziejczak.
Am 15. Oktober wird in Polen gewählt und die Landwirte sind eine wichtige Wählergruppe für viele polnische Parteien. Wichtiger als die Ukraine, allemal wichtiger als das Verhältnis zur EU-Kommission.