Internationaler Strafgerichtshof Haftbefehl gegen Putin erlassen
Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehl gegen Russlands Präsidenten Putin erlassen. Das Gericht wirft ihm vor, für die Verschleppung von ukrainischen Kindern verantwortlich zu sein. Der Kreml spielte die Bedeutung des Vorgangs herunter.
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hat wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassen.
Russlands Staatschef sei mutmaßlich für die rechtswidrige Deportation von Kindern und Umsiedlungen aus besetzen Gebieten der Ukraine in die Russische Föderation persönlich verantwortlich, teilte der IStGH mit. Auch gegen die Kinderrechtskommissarin in Putins Präsidialverwaltung, Maria Lwowa-Belowa, wurde Haftbefehl erlassen.
Mahnung an internationale Gemeinschaft
Die Verbrechen hätten in den russisch besetzten Gebieten in der Ukraine "mindestens ab dem 24. Februar 2022", dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, eingesetzt, teilte das Gericht mit. Die Haftbefehle würden anders als sonst üblich veröffentlicht, weil die Verbrechen mutmaßlich noch andauerten und eine öffentliche Bekanntgabe dazu beitragen könne, die weitere Begehung von Straftaten zu verhindern.
Gerichtspräsident Piotr Hofmanski teilte mit, vollstrecken müsse die Haftbefehle aber die internationale Gemeinschaft. Das Gericht könne sie nur erlassen. Dass das Weltstrafgericht Haftbefehl gegen einen amtierenden Staatschef erlässt, ist sehr selten. Unter anderem geschah das im Fall des inzwischen gestürzten sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir.
Internationaler Strafgerichtshof: Haftbefehl gegen Putin wegen der Verschleppung ukrainischer Kinder
"Russisches Regime ist verbrecherisch"
Die ukrainische Führung begrüßte die Haftbefehle gegen Putin und Lwowa-Belowa als "historisch". "Das bedeutet, dass sie jetzt auf dem Gebiet der Länder festgenommen werden können, die das Römische Statut unterzeichnet haben", erläuterte der Chef des Präsidentenbüros in Kiew, Andrij Jermak, im Nachrichtenkanal Telegram.
Zwar hat die Ukraine das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs selbst nicht ratifiziert. Trotzdem erkennt das Land die Zuständigkeit der Richter für begangene Kriegsverbrechen auf ihrem Staatsgebiet seit 2014 an. Jermak betonte, dass Kiew systematisch mit dem Gerichtshof zusammenarbeite.
Der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin lobte die Entscheidung als Signal für die Welt, dass das "russische Regime" verbrecherisch sei. "Die Führer der Welt werden jetzt dreimal überlegen, bevor sie ihm (Putin) die Hand geben oder sich mit ihm an den Verhandlungstisch setzen", teilte er mit.
Russland: Werden nicht kooperieren
Der Kreml bezeichnete den Haftbefehl als rechtlich nichtig. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa sagte, Moskau werde "nicht mit dem Gericht kooperieren". "Allein die Formulierung der Frage halten wir für unverschämt und inakzeptabel", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass. "Russland erkennt die Rechtsprechung dieses Gerichts nicht an. Entsprechend sind Entscheidungen dieser Art für Russland vom rechtlichen Standpunkt unbedeutend."
Peskow wollte sich nach Angaben der russischen Agenturen nicht dazu äußern, ob eine drohende Verhaftung des Kremlchefs in Ländern, die das Gericht anerkennen, sich auf die Reisepläne Putins auswirken könnte.
Unabhängige russische Medien kommentierten, dass durch den Haftbefehl Putins Reisemöglichkeiten eingeschränkt werden könnten. 120 Länder, darunter auch Verbündete Russlands, erkennen die Zuständigkeit des Weltstrafgerichts an und haben das entsprechende Statut ratifiziert.
UN wollen weiter mit Putin sprechen
Die Vereinten Nationen vermieden eine direkte Reaktion. Ein Sprecher sagte lediglich, dass Putin für UN-Chef António Guterres wegen der Entscheidung keine Persona non grata sei. "Der Generalsekretär wird immer mit jedem sprechen, mit dem es nötig ist zu sprechen."
Allerdings ist fraglich, ob der russische Präsident zu möglichen Friedensgesprächen unter UN-Führung zum Beispiel nach Genf fliegen könnte, denn die Schweiz gehört dem Weltstrafgericht an.
Ukraine: 16.000 Kinder verschleppt
Der Staatsanwalt am Strafgerichtshof, Karim Khan, hatte vor einem Jahr Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeleitet. Khan war drei Mal persönlich in der Ukraine, unter anderem in der Region Kiew, wo es in Butscha ein Massaker gab.
Nach Angaben der ukrainischen Regierung wurden bis Februar dieses Jahres mehr als 16.000 Kinder aus der Ukraine nach Russland oder in russisch kontrollierte Gebiete verschleppt. Die Generalstaatsanwaltschaft habe Den Haag bereits mehr als 1000 Seiten an Ermittlungsergebnissen übergeben.