Putin-Rede zum "Tag des Sieges" "Gegen unsere Heimat wurde ein Krieg entfesselt"
Zum Tag des Sieges über Nazi-Deutschland hat der russische Präsident Putin vor Tausenden Soldaten und Veteranen zur Geschlossenheit aufgerufen. Sein Land sei ein Opfer des Westens, der einen Krieg gegen Russland angezettelt habe, erklärte er.
Mit einer Schweigeminute und einer großen Militärparade hat Russland den 78. Jahrestag des sowjetischen Sieges über Nazi-Deutschland begangen. Der russische Präsident Wladimir Putin ging in einer zehnminütigen Rede auf dem Roten Platz auch auf die aktuelle Lage im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine und dessen Folgen ein. Er machte deutlich, dass Russland aus seiner Sicht ein Opfer des Westens sei. "Heute befindet sich die Zivilisation erneut an einem entscheidenden Wendepunkt", sagte Putin zum Auftakt seiner Ansprache.
"Gegen unsere Heimat wurde wieder ein Krieg angezettelt", fügte er mit Blick auf die Kämpfe gegen die Ukraine hinzu, die er vor mehr als einem Jahr selbst angeordnet hatte. "Aber wir haben den internationalen Terrorismus zurückgeschlagen, wir werden die Einwohner des Donbass beschützen und wir werden unsere Sicherheit gewährleisten."
Im Donbass im Osten der Ukraine ist ein großer Teil der Bevölkerung russisch-sprachig. Bereits 2014 haben in den dortigen Regionen Donezk und Luhansk pro-russische Separatisten einen Kampf gegen die ukrainische Armee begonnen.
Putin: Westen will Russland zerstören
Einmal mehr behauptete Putin zudem, die Ukraine sei zur "Geisel" westlicher Staaten geworden, die Russland zerstören wollten. "Ihr Ziel besteht im Zerfall und in der Zerstörung unseres Landes."
Westliche Eliten würden immer wieder betonen, dass sie anderen überlegen seien. "Sie säen Hass und aggressiven Nationalismus und zerstören Werte, die den Menschen zum Menschen machen, alles nur, um den anderen Völkern ihren Willen aufzuzwingen."
Der Westen habe vergessen, wer die Nazis besiegt habe. "Wir erinnern uns an die Rolle, die die USA, Großbritannien und China im Zweiten Weltkrieg gespielt haben", sagte Putin. "Wir erinnern uns an die Rolle, die das Volk der Sowjetunion beim Sieg über Nazi-Deutschland gespielt hat."
In der Vergangenheit hat Putin immer wieder die Invasion der Ukraine damit begründet, dort Nazis vertreiben und die russisch-sprachige Bevölkerung schützen zu wollen. In seiner Rede erneuerte er dieses Narrativ: Die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges sollten rückgängig gemacht werden und alle souveränen Zentren der Entwicklung ausgelöscht werden, behauptete der Kreml-Chef. Dazu würden Nationalsozialisten aus der ganzen Welt versammelt.
Putin kritisierte zudem, dass in mehreren Ländern "kaltblütig" sowjetische Statuen abgerissen werden. Der Westen schaffe einen Kult von Nationalisten. "Zynisch versuchen sie, eine neue Invasion gegen Russland vorzubereiten."
"Land steht geschlossen hinter unseren Helden"
Die Kämpfe in der Ukraine seien entscheidend für das Schicksal Russlands, sagte Putin. "Wir sind stolz auf die Beteiligten der militärischen Spezialoperation", betonte der Präsident. "Alle im Land sind vereint, um unsere Helden zu unterstützen", sagte Putin mit Blick auf die in der Ukraine kämpfenden Soldaten. Es gebe im Moment nichts Wichtigeres als ihre Arbeit.
Offiziellen Angaben zufolge waren auf dem Roten Platz rund 8000 Soldaten aufmarschiert - darunter offenbar auch Männer, die in den vergangenen Monaten in der Ukraine kämpften. Anders als ursprünglich angekündigt, waren außerdem doch einige ausländische Staats- und Regierungschefs auf der Ehrentribüne zu Gast - nämlich aus den Ex-Sowjetrepubliken Belarus, Kasachstan, Tadschikistan, Turkmenistan, Kirgistan, Usbekistan und Armenien.
Zum Abschluss seiner Rede beschwor Putin Geschlossenheit: "In den Jahren des Vaterländischen Krieges haben unsere Ahnen bewiesen, dass es nichts Mächtigeres gibt als unsere Geschlossenheit und Einheit. Es gibt nichts, was stärker ist als unsere Liebe zur Heimat, für Russland, für unsere tapferen Streitkräfte, für den Sieg. Hurra!"
Feierlichkeiten in mehr als 20 Städten abgesagt
Der 9. Mai ist einer der wichtigsten Feiertage in Russland, an dem die Menschen im ganzen Land der Opfer gedenken, die die Sowjetunion während des sogenannten Großen Vaterländischen Krieges von 1941 bis 1945 gebracht hat. Rund 27 Millionen ihrer Bürgerinnen und Bürger kamen dabei ums Leben. Dieses Jahr ist der Feiertag noch emotionaler aufgeladen, da Russland um Tausende Soldaten trauert, die in dem fast 15-monatigen Krieg in der Ukraine getötet wurden.
Traditionell werden nicht nur auf dem Roten Platz Paraden abgehalten, auch in anderen Städten versammeln sich die Menschen zu großen Veranstaltungen. In diesem Jahr wurden jedoch in mehr als 20 Städten Märsche abgesagt, sagte ARD-Korrespondentin Ina Ruck auf tagesschau24. Vor allem in Städten in der Nähe der ukrainischen Grenze gibt es in diesem Jahr keine großen Feierlichkeiten. Aber auch in Sibirien und Zentralrussland wird an einigen Orten auf große Paraden verzichtet - offiziell wegen Sicherheitsbedenken. Inoffiziell könnten dahinter zum einen die hohen Kosten stecken, zum anderen seien Soldaten und Technik oft nicht verfügbar - "sie werden anderswo gebraucht", erklärte Ruck.
Zudem wurden in diesem Jahr die großen Märsche - die sogenannten Märsche des "Unsterblichen Regiments" - abgesagt. Bei diesen Paraden wird mit Postern der Gefallenen der Weltkriege gedacht. Offenbar gab es die Befürchtung, dass Menschen Bilder von erst jüngst getöteten Soldaten hochhalten könnten. "Das wollte man offenbar vermeiden", so die Korrespondentin.