Trotz Kreml-Protesten Asowstal-Verteidiger kehren in die Ukraine zurück
Seit einem Gefangenenaustausch warteten in der Türkei fünf ukrainische Verteidiger des Asowstal-Werks vereinbarungsgemäß auf das Kriegsende. Nun nahm sie der ukrainische Präsident Selenskyj auf dem Rückflug mit nach Kiew. Der Kreml protestiert.
Die Rückkehr von fünf hochrangigen ukrainischen Offizieren, die sich seit einem Gefangenenaustausch in der Türkei aufhielten, hat in Russland für Empörung gesorgt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj brachte die Kommandeure, die im Frühjahr 2022 an der Verteidigung des Stahlwerks Asowstal in Mariupol beteiligt gewesen waren, nach eigenen Angaben auf dem Rückweg eines Türkei-Besuchs mit in die Heimat.
Er verwies in einer Mitteilung auf vorangegangene Verhandlungen mit der türkischen Seite und bezeichnete die Soldaten, die zum Teil dem Asow-Regiment angehörten, als Helden. Selenskyj habe sie am Flughafen von Istanbul getroffen und zu ihrer Rückkehr beglückwünscht.
Präsident Selenskyj begleitete die Soldaten auf dem Rückflug und bezeichnete sie als Helden.
Kreml spricht von Verletzung von Absprachen
Die russische Regierung reagierte umgehend auf die Mitteilung. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow warf der Türkei vor, mit der Ausreise-Erlaubnis für kriegsgefangene ukrainische Soldaten Abmachungen verletzt zu haben. Er sprach von einem "direkten Verstoß gegen bestehende Vereinbarungen" - sowohl von türkischer als auch von ukrainischer Seite. Die Befreiung der Asow-Kommandeure aus russischer Gefangenschaft sei an die Bedingung ihres Verbleibs in der Türkei bis Kriegsende geknüpft gewesen, sagte er. Die Regierung Russlands sei über die Freilassung der Soldaten nicht informiert worden. Offenbar habe die NATO großen Druck auf Ankara ausgeübt, damit Selenskyj vor dem NATO-Gipfel und angesichts der "Niederlagen bei der Gegenoffensive" einen Erfolg vorweisen könne, spekulierte der Kremlsprecher.
Warum die fünf Soldaten Selenskyj von der Türkei in die Ukraine begleiten durften, ist derzeit unklar. Von Seiten der türkischen Regierung liegen bisher keine Angaben dazu vor. Da die Türkei aber seit Beginn des russischen Angriffskriegs immer wieder als Vermittler agierte, unter anderem beim wichtigen Getreideabkommen, könnte der Vorgang spürbare Auswirkungen auf weitere Verhandlungen haben.
Kommandeure sollten ursprünglich in der Türkei bleiben
Kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine war die Hafenstadt Mariupol zum Zentrum erbitterter Kämpfe geworden. Mehrere Monate dauerten die Gefechte um die von russischen Truppen eingeschlossene Stadt. Am Ende hatten sich noch mehrere Tausend ukrainische Soldaten im Stahlwerk Asowstal verschanzt, darunter auch Kämpfer des nationalistischen Asow-Regiments. Erst im Mai ergaben sich die letzten Verteidiger.
Russland wollte eigentlich den ukrainischen Kämpfern den Prozess machen. Gerade das nationalistische Asow-Regiment diente der Regierung in Moskau immer wieder als Rechtfertigung für den Angriffskrieg und für die Behauptung, die Ukraine angeblich von "Faschisten" zu "befreien". Doch im Laufe der Zeit kamen Hunderte Männer und Frauen im Rahmen des Austauschs von Kriegsgefangenen frei. Russland schob auch mehrere Kommandeure des Regiments in die Türkei ab. Dort sollten sie gemäß der Vereinbarung eigentlich bis zum Ende des Krieges bleiben.
Das Asow-Regiment ist ein ehemaliges Freiwilligenbataillon, das wegen seiner rechtsextremistischen Vergangenheit umstritten ist. 2014 wurde die Kampfgruppe formell in die ukrainische Nationalgarde integriert. Damals nahmen Asow-Mitglieder am Kampf gegen von Moskau unterstützte Separatisten im Osten der Ukraine teil. Russland stuft das Asow-Regiment als "terroristische Organisation" ein.