Teilmobilmachung Kreml präzisiert Pläne - und spricht von Hysterie
Die russische Regierung hat erste Klarstellungen zur Teilmobilmachung verkündet - unter anderem, welche Branchen ausgenommen sind. Gleichzeitig spricht der Kreml von überzogenen Reaktionen auf die Ankündigung.
Nach dem Befehl von Kremlchef Wladimir Putin zur Teilmobilmachung für den Krieg in der Ukraine hat die Führung in Moskau "Hysterie" im Land beklagt. Kremlsprecher Dmitri Peskow forderte die Russinnen und Russen dazu auf, sich ausreichend zu informieren.
"Es lässt sich irgendwie verstehen, dass es in den ersten Stunden nach der Bekanntgabe und auch noch am ersten Tag eine hysterische, äußerst emotionale Reaktion gegeben hat, weil es tatsächlich unzureichende Informationen gab", sagte Peskow. Inzwischen gebe es aber auch Hotlines, um telefonisch Fragen zu klären.
Bestimmte Branchen ausgenommen - auch Propaganda
Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, dass Beschäftigte im Hochtechnologiebereich nicht eingezogen werden sollten. Nicht in den Krieg müssen demnach auch die Mitarbeiter der staatlichen Medien. Geschützt sind demnach Redakteure, Verleger, Mitarbeiter von Fernsehen, Radio und Zeitungen. Sie gehören zu den wichtigsten Stützen von Putins Macht.
Luftfahrtbranche fürchtet um Existenz
Die russische Luftfahrt steht angesichts der Teilmobilmachung wegen des Kriegs in der Ukraine offenbar vor Personalproblemen. Bis zu 80 Prozent der Mitarbeiter könnten eingezogen werden, berichtete die russische Zeitung "Kommersant" unter Berufung auf Insider. Hintergrund ist, dass russische Piloten zum Großteil in militärischen Abteilungen von Flugschulen ausgebildet wurden oder ihren Wehrdienst absolviert haben. Damit können sie zu den Reservisten gehören, die das russische Militär nun verstärken sollen
Innerhalb eines Tages nach der Anordnung hätten die Mitarbeiter von mindestens fünf Fluggesellschaften und mehr als zehn Flughäfen ihre Einberufungsbescheide erhalten. Die größte russische Fluggesellschaft Aeroflot erwarte demnach, dass über die Hälfte ihres Personals eingezogen werden könnte. Aeroflot wollte sich nicht dazu äußern.
Weiter viele Ausreisen
Angesichts der Einberufung von Reservisten für den Krieg in der Ukraine verließen Tausende Männer fluchtartig das Land. Die vielen Ausreisen gelten als Gefahr auch für die russische Wirtschaft. Schon nach dem von Putin angeordneten Einmarsch in die Ukraine im Februar hatten Zehntausende Menschen das Land verlassen.
Auch an der Grenze zu Kasachstan steigt nach Behördenangaben die Zahl der Menschen aus Russland, die ihr Land verlassen wollen. Vier der insgesamt 30 Grenzübergänge seien besonders belastet, heißt es in einer Mitteilung des kasachischen Grenzschutzes, der dabei aber keine Zahlen nennt.
Kein Ausreiseverbot für Reservisten - aber...
Der Chef des Verteidigungsausschusses im russischen Parlament, Andrej Kartapolow, erklärte mit Blick auf die Flucht, dass zwar nach dem Gesetz zur Mobilmachung ein Ausreiseverbot für Reservisten bestehe. Weil es sich aber um eine Teilmobilmachung handelt, werde das Gesetz aber nicht angewendet. Reisen innerhalb Russlands und ins Ausland seien deshalb erlaubt. Er empfahl aber Reservisten, die unsicher sind, sich selbst an der Einberufungsstelle einzufinden, um zu klären, was erlaubt ist und was nicht.