Angeblicher ukrainischer Großangriff Widersprüchliche Aussagen, unübersichtliche Lage
Russlands Militär hat nach eigenen Angaben einen ukrainischen Großangriff auf die Region Donezk abgewehrt. Ein russischer Kommandeur weist diese Darstellung zurück - und spricht von einem Erfolg der Ukrainer.
Die Mitteilung aus dem russischen Verteidigungsministerium kam mitten in der Nacht und ließ aufhorchen: Eine ukrainische Großoffensive in der Region Donezk sei abgewehrt worden. Angeblich durchgeführt an fünf Frontabschnitten.
Sprecher Igor Konaschenkow betonte, dieser Versuch sei gescheitert: "Der Feind wollte unsere Verteidigungslinien bei dem seiner Meinung nach am stärksten gefährdeten Abschnitt der Front durchbrechen." Das sei nicht gelungen.
Konaschenkow: Herbe Verluste für die Ukraine
Sechs mechanisierte Bataillone mit Schützen- und Transportpanzern und zwei Panzerbataillone seien auf ukrainischer Seite an dem Angriff beteiligt gewesen. Am Ende hätten sie herbe Verluste hinnehmen müssen, so Konaschenkow weiter.
Seinen Angaben zufolge wurden auf ukrainischer Seite 900 Soldaten getötet. "Der Feind hat seine gesteckten Ziele nicht erreicht", erklärte Konaschenkow auf einer Pressekonferenz. Zuvor hatte er von mehr als 250 getöteten ukrainischen Soldaten gesprochen. Kiew wollte die Angaben nicht bestätigen. Von unabhängiger Seite lassen sich die Angaben nicht überprüfen.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Generalstabschef zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Auffallend war jedoch, dass Konaschenkow betonte, dass ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt Generalstabschef Waleri Gerassimow am Ort des Geschehens gewesen sei. Er habe sich "an einem der vordersten Kommandoposten in dieser Richtung" befunden, so Konaschenkow. Nur selten vermeldet Russland die Anwesenheit seiner Armeeführung bei Kriegshandlungen.
Der Chef der Wagner-Truppe Jewgeni Prigoschin hatte Gerrassimow und Verteidigungsminister Schoigu mehrfach wegen Untätigkeit und Unfähigkeit kritisiert.
Chodakowski: Nur eine begrenzte Operation der Ukrainer
Was auf den ersten Blick nach einem Erfolg der gescholtenen Armeeführung aussah, wurde wenig später schon wieder angezweifelt. Der russische Feldkommandeur Alexander Chodakowski - im Donbass im Einsatz - widersprach der Darstellung des Verteidigungsministeriums, dass es sich um eine ukrainische Gegenoffensive gehandelt habe. Auf seinem Telegram-Kanal sprach er von einer begrenzten taktischen Operation der Ukrainer. Im Übrigen seien die Aktionen des Feindes von Erfolg gekrönt.
In der Tat meldete das ukrainische Militär, dass es den eigenen Truppen gelungen sei, bei Bachmut weiter vorzurücken. Von dem Beginn einer Großoffensive wird in Kiew jedoch nicht gesprochen.
Beobachter halten es indessen für möglich, dass diese bereits begonnen hat. Die anhaltenden Angriffe auf die russische Grenzregion Belgorod könnten der Versuch sein, russische Verbände dort zu binden, um an anderer Stelle anzugreifen.
Russland spielt Lage in Belgorod herunter
Der Leiter des Verteidigungsausschusses der Duma, Andrej Kartapalow, versuchte die Lage in Belgorod herunterzuspielen - die Ukraine und der Westen zielten darauf ab, die russische Bevölkerung zu verunsichern. Daher sei alles, was in Belgorod passiert, in erster Linie ein "Informationsangriff", ein Angriff auf "unser öffentliches Bewusstsein, auf die Bevölkerung unseres Landes". Das habe nur in geringerem Maße eine militärische Bedeutung, so Kartapalow.
Der Gouverneur von Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, berichtete am Montag, dass ein Objekt der Energieversorgung durch einen Drohnenangriff in Brand geraten sei. Zuletzt waren Dörfer in der Region Belgorod evakuiert worden. Am Wochenende hatte es bei anhaltendem Beschuss von ukrainischer Seite Tote und Verletzte gegeben.