Krieg gegen die Ukraine Weitere zivile Opfer nach Luftangriffen gemeldet
Die Ukraine meldet nach neuen russischen Luftangriffen mehrere Tote und Verletzte - darunter auch Zivilisten. Moskau kündigte derweil für heute eine weitere Feuerpause an, damit sich Menschen in Sicherheit bringen können.
Bei neuen Luftangriffen auf Städte in der Ukraine sind den Behörden zufolge mehrere Menschen getötet oder verletzt worden. In der Stadt Malyn im Gebiet Schytomyr starben drei Erwachsene und zwei Kinder, als Bomben sieben Häuser zerstörten, wie der Zivilschutz in der Nacht mitteilte.
In Ochtyrka bei Sumy kam mindestens ein Mensch ums Leben, 14 Menschen wurden demnach verletzt. Die russische Armee habe zwei Stunden lang die zivile Infrastruktur des Ortes beschossen, sagte der Chef der Gebietsverwaltung, Dmytro Schywyzkyj. Die Angaben sind nicht unabhängig zu prüfen. In der Nähe der Großstadt Charkiw starben zwei Menschen, darunter ein sieben Jahre altes Kind, dem Zivilschutz zufolge beim Einschlag eines Geschosses in ein Wohnhaus.
Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar seien bei Kämpfen in Charkiw 170 Zivilisten getötet worden, darunter fünf Kinder, sagte ein Behördensprecher der Agentur Unian zufolge. Russland beharrt darauf, die Truppen griffen keine zivilen, sondern nur militärische Ziele an.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Artilleriebeschuss nahe Kiew
Zudem habe russische Artillerie Außenbezirke von Kiew unter Beschuss genommen, sagte Jaroslaw Moskalenko, der humanitäre Hilfe in der Region Kiew koordiniert. Zivilisten hätten in Luftschutzräumen Zuflucht suchen müssen. Die Versorgung mit Wasser, Strom und Nahrungsmitteln sei unterbrochen. In Borodjanka bei Kiew habe der Beschuss die Bergung von fünf Leichen, die in ihrem Fahrzeug unter Feuer gerieten, sowie von zwölf toten Patienten einer psychiatrischen Klinik verhindert, sagte Moskalenko. Weitere 200 Patienten säßen dort ohne Nahrung und Medikamente fest.
Russland kündigt neue Fluchtkorridore an
Russland hat derweil auch für heute die Öffnung mehrerer "humanitärer Korridore" in der Ukraine angekündigt. Ab 08.00 Uhr MEZ sollten lokale Waffenruhen gelten, meldeten russische Nachrichtenagenturen am Abend unter Berufung auf eine für humanitäre Fragen zuständige Abteilung des Verteidigungsministeriums.
Zuvor waren die ersten Zivilisten über einen offiziellen Fluchtkorridor aus der umkämpften Stadt Sumy im Nordosten der Ukraine gebracht worden. "Der erste Konvoi von 22 Bussen ist bereits in Poltawa angekommen", erklärte ein Kiewer Regierungsbeamter am Abend. Poltawa liegt rund 175 Kilometer südlich von Sumy. Dort seien die Menschen in Sicherheit, sagte der Beamte.
Erste erfolgreiche Evakuierungen
Nach Angaben aus Kiew war am Abend eine zweite Gruppe von 39 Bussen auf dem Weg nach Poltawa. Es ist die erste erfolgreiche offizielle Evakuierungsaktion im Ukraine-Krieg unter Zusammenarbeit mit den russischen Angreifern. Mehrere Versuche, sichere Fluchtrouten für Zivilisten aus einer ganzen Reihe belagerter Städte zu schaffen, waren zuvor fehlgeschlagen. Moskau und Kiew machten sich gegenseitig dafür verantwortlich.
Auch in der Region Kiew gingen die Evakuierungen weiter, obwohl Fluchtkorridore beschossen wurden, wie der Leiter der örtlichen Verwaltung, Oleksij Kuleba, berichtete. Im nordwestlichen Kiewer Vorort Irpin beobachtete ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP, wie weiterhin hunderte Menschen auf behelfsmäßigen Stegen aus Brettern und Metallstücken den gleichnamigen Fluss überquerten. Eine Bewohnerin berichtete, dass es "kein Wasser, Gas oder Strom" mehr gegeben habe und sie sich tagelang im Keller verstecken musste. Verzweifelte Menschen versuchten auch, den nördlichen Vorort Butscha zu verlassen.
Für die umkämpfte südukrainische Stadt Mariupol ist bisher kein Fluchtkorridor gelungen. Dort warten nach Angaben des Roten Kreuzes 200.000 Menschen bei katastrophalen Bedingungen darauf, aus der Stadt zu kommen. Auch Hilfslieferungen in die Hafenstadt seien gescheitert, sagte die ukrainische Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk der Nachrichtenagentur Unian.
Neue russische Militärkolonne auf dem Weg nach Kiew
Das US-Verteidigungsministerium berichtete unterdessen von einer neuen russischen Militärkolonne, die von Nordosten her auf Kiew vorrückte. Die Hauptkolonne aus dem Norden war vor mehreren Tagen zum Stillstand gekommen. In der Nähe von Odessa im Süden des Landes kam es weiter zu Kämpfen. Eine AFP-Reporterin erzählte von kilometerlangen Autoschlangen aus der Stadt Mykolajiw. Schüsse waren zu hören.
Der ukrainische Generalstab berichtete zudem von neuen Kämpfen in Isjum im Osten. Das dortige Zentralkrankenhaus sei völlig zerstört, teilte die Stadtverwaltung mit.
Mittlerweile sind nach UN-Angaben mehr als zwei Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Die UN zählte zuletzt mindestens 406 getötete Zivilisten, wobei die Zahl laut eigenen Angaben wahrscheinlich viel zu niedrig ist.