Wahl in Südossetien Denkzettel für Moskau
In der von Georgien abtrünnigen Region Südossetien ist der Präsident abgewählt worden, auch weil er die Entsendung von Soldaten in die Ukraine gerechtfertigt hatte - ein Zeichen für Widerstand gegen die Führung in Moskau.
Es war eine Nachricht, die inmitten der russischen Propaganda zum Jahrestag des Sieges kaum auffiel. Dabei ist sie ein Zeichen für die Stimmungslage in der Peripherie Russlands, wo viele Soldaten für den Krieg in der Ukraine rekrutiert werden.
Es geht um die von Georgien abtrünnige Region Südossetien, die Russland nach dem Krieg 2008 anerkannt hatte und damals de facto unter militärische Kontrolle nahm. Dort regierte seit 2017 Anatoli Bibilow, der sich nun der Wiederwahl stellen musste - und jetzt in einer Stichwahl gegen den Oppositionellen Alan Gaglow so deutlich verlor, dass er nicht einmal versuchte, die Ergebnisse zu manipulieren oder mit Gewalt an der Macht zu bleiben.
Bibilow hatte darauf gesetzt, sich als treuer Gefolgsmann der Führung in Moskau zu geben. Insbesondere rechtfertigte er es, dass Soldaten aus der Region zum Kämpfen in die Ukraine geschickt wurden. Sie gehören in der Region stationierten russischen Einheiten an und die russische Militärführung war es, die über deren Einsatz in der Ukraine entschied.
Doch nannte Bibilow bei öffentlichen Auftritten und in seinem Telegram-Kanal mehrfach Argumente, warum seine Landsleute an der Seite Russlands kämpfen sollten: "Viele Menschen sind für Südossetien gestorben, Russen und andere Nationalitäten." Er sprach vom Kampf gegen Nazis in der Ukraine, die ebenso gut in Südossetien einfallen könnten. "Wir kämpfen dort, aber wir verteidigen unsere eigene Heimat."
Nicht der Krieg der Südosseten
Seine Wähler überzeugte er damit nicht, dies umso weniger, als die unabhängige russische Medienplattform Media Zona von einer Meuterei ossetischer Soldaten in der Ukraine berichteten. Sie sei ausgebrochen, als ein Offizier ihnen verbot, die Leiche eines Angehörigen ihrer Einheit zu bergen. Er habe einen leeren Sarg in die Heimat zurückschicken wollen. Daraufhin seien die Soldaten desertiert.
Media Zona berichtete zudem von einem Gespräch zurückgekehrter Soldaten mit Bibilow. Sie erzählten ihm laut einer Tonaufzeichnung von katastrophalen Kampfbedingungen. Sie nannten Probleme mit der Logistik, mit der Taktik, mangelnde Vorbereitung und defekte Waffen. Einer der Soldaten habe Bibilow ins Gesicht gesagt, der Krieg in der Ukraine sei nicht der Krieg der Südosseten.
Etwa 300 Soldaten kehrten vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 10. April zurück und verbreiteten die Erzählungen vom Krieg. Offenbar in Erwartung eines schlechten Abschneidens bei der Abstimmung versuchte Bibilow mit einem anderen Thema abzulenken: Er versprach ein Referendum über die Aufnahme Südossetiens in die Russische Föderation.
Auch wenn sich Parlamentsabgeordnete in Moskau für eine Annexion aussprachen, sahen viele Wähler dies offenbar als durchsichtiges Manöver. Putins Präsidialadministration zeigte sich einmal mehr sehr zurückhaltend. Es hatte in der Vergangenheit schon Abstimmungen über eine Angliederung gegeben, aber nie war die Führung in Moskau dem nachgekommen. Im März hatte Russlands Vizewirtschaftsminister Dmitri Wolwach sogar erklärt, Südossetien und die andere von Georgien abtrünnige Region Abchasien müssten weniger finanziell abhängig von Russland werden.
Friedliche Machtübergabe
Bibilows Herausforderer Gagloew schätzte die Lage offenbar realistischer ein. Er zeigte sich skeptisch gegenüber der Entsendung von Soldaten und der Ausrufung eines Referendums. Gegen den ohnehin unbeliebten Bibilow gewann er in der ersten Runde knapp und in der Stichwahl lag er nach Auszählung von 85 Prozent der Stimmen mit fast 54 Prozent vorn. Bibilow hatte ihm bereits am Wahlabend gratuliert und versuchte nicht, wie befürchtet, an der Macht festzuhalten.
Auf Twitter kommentierte ein Nutzer: "Was für eine Ironie, die Bürger Südossetiens haben ein Privileg, das 140 Millionen Russen nicht haben: Alle vier Jahre erleben sie, das ihr Präsident friedlich zurücktritt." Insofern könnte das Ergebnis die Stimmung insbesondere in den entfernten Regionen, wo viele Soldaten rekrutiert werden, besser darstellen als Umfragen, die unter staatlichem Druck stehende Institute in Russland durchführen.