Angebliche Rechtfertigung von Terror Lange Haft für russische Theaterschaffende
Die Theaterkünstlerinnen Berkowitsch und Petritjschuk sind in Moskau zu je sechs Jahren Haft verurteilt worden. Sie sollen mit einem Theaterstück Terrorismus gerechtfertigt haben. Viele Künstler sehen in dem Urteil ein Signal.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Theaterregisseurin Jewgenija Berkowitsch und die Dramaturgin Swetlana Petrijtschuk vom Publikum und Kritikern in Russland gefeiert wurden. Vor zwei Jahren wurde den beiden Frauen gleich zweifach die Goldene Maske verliehen. Die Auszeichnung gilt als der wichtigste russische Theaterpreis. Den hatten sie für Ihr Stück "Finist, der lichte Falke" bekommen.
In dem Stück geht es um zwei Frauen, die im Netz IS-Kämpfer kennenlernen und sich in diese verlieben. Sie lassen sich vom "Islamischen Staat" rekrutieren und fliegen daraufhin nach Syrien. Die Geschichte basiert auf realen Geschehnissen und Gerichtsprotokollen.
Haftstrafe in Strafkolonie
Am Montagabend wurden beide zu sechs Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt. Außerdem wird Berkowitsch und Petrijtschuk drei Jahre lang der Internetzugang verboten. Das Gericht befand sie der Rechtfertigung von Terrorismus für schuldig.
Während des Prozesses hatten die beiden angeklagten Frauen gesagt, sie verstünden die Anklage nicht, sei doch gerade ihr Stück eine Warnung vor Terrorismus.
Die Verkündung des Urteils hatte unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden.
Ratlosigkeit, Wut und Unverständnis
Im Anschluss herrschte Ratlosigkeit, Wut und Unverständnis bei Unterstützern der beiden Angeklagten vor. Sie hatten draußen vor dem Gerichtsgebäude gewartet - wie etwa Nikolaj Rybakow, der Vorsitzende der oppositionellen Jabloko-Partei. Er sagte, die Staatsbeamten hätten Berkowitsch und Petrijtschuk nicht vor Gericht stellen dürfen. Sie seien für etwas angeklagt worden, gegen das sie kämpfen wollten: "Wenn die Kläger dies nicht begreifen können, so hat doch der Regisseur keine Schuld daran."
Doch Staatsanwältin Jekaterina Denisowa hatte während des Prozesses eine Verschwörung gewittert. In verbrecherischer Absicht hätten Berkowitsch und Petrijtschuk geplant, ihr Stück auf möglichst vielen Bühnen zu spielen. Die beiden Künstlerinnen stellten somit eine Gefahr für die Gesellschaft dar.
Die Anwältin der beiden Frauen, Xenia Karpinskaja, bezeichnete die Sitzung des Gerichts als "absolut gesetzwidrig und ungerecht". Sie kündigte an, das Urteil anzufechten - "obwohl es kaum Hoffnung gibt".
Signal an die gesamte Theaterwelt in Russland?
Beobachter werten den Prozess als Signal an die gesamte Theaterwelt in Russland. Vieles erinnere an die Stalinzeit - die Kulturszene solle gesäubert werden und jedwede kriegskritische Haltung im Keim erstickt werden. Theaterregisseurin Berkowitsch hatte etwa auch Gedichte veröffentlicht, in denen sie die Not in ukrainischen Städten beschrieb, die durch russische Angriffe verwüstet wurden.
Viele Theaterkünstler, Schriftsteller oder Musiker haben Russland aus Angst vor Verfolgung bereits verlassen. Berkowitschs Mutter Elena Efros rief gestern dazu auf, die verurteilten Frauen nicht zu vergessen und Kontakt mit ihnen zu halten: "Wir sind im Jahr 2024. Die Welt hat sich bis zur Unkenntlichkeit verändert. Wir wissen nicht, was uns in einem Monat erwarten kann. Schreiben Sie Briefe an die politischen Gefangenen."