Koranverbrennungen in Schweden Was will Salwan Momika?
Dramatische Bilder aus islamischen Ländern gehen seit Wochen um die Welt: aufgebrachte Menschenmassen, brennende schwedische Flaggen. Wer ist der Mann, der diese Proteste ausgelöst hat?
Salwan Momika sitzt mit übereinandergeschlagenen Beinen in einem Hotelzimmer südlich von Stockholm. Der 37-jährige Iraker, dessen Aktionen Teile der islamischen Welt in Aufruhr versetzt und Schweden in diplomatische Nöte gestürzt haben, gibt sich betont gelassen.
Als Christ sei er in seiner Heimat unter anderem von der Terrororganisation Islamischer Staat verfolgt worden - das habe in ihm einen tiefen Hass auf den Islam geschürt.
Diesen Hass behielt er nicht für sich. Vor der Stockholmer Moschee zündete er den Koran an, spielte vor der irakischen Botschaft mit ihm Fußball.
Schweden fürchtet um Sicherheit - Momika bereut nichts
Aus Protest gegen diese Aktionen gingen im Irak, Iran und in Pakistan Tausende Menschen auf die Straßen. Deshalb fürchtet Schweden jetzt massiv um die Sicherheit des Landes, steht kurz davor, die Terrorwarnstufe zu erhöhen.
Momika bereut nichts. "Warum sollte ich?", sagt er im ARD-Interview. "Das Problem bin nicht ich, sondern es sind diese diktatorischen Gesellschaften, diese islamistischen Gesellschaften, die ein Diktator erschafft."
Rechtsextreme Verschwörungstheorien
Momika spricht ganz ruhig, aber die schusssichere Weste, die sich unter seinem Kapuzenpullover abzeichnet, spricht eine andere Sprache. Er fühlt sich bedroht, auch hier in Schweden. Es sei ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt, angeblich zwei Millionen Euro.
Doch er habe Beschützer, sagt er. Er habe keine Arbeit, lebe von TikTok-Spenden. Die Weste soll angeblich irgendwann vor seiner Tür gelegen haben.
Im Gespräch verbreitet Momika rechtsextreme Verschwörungstheorien und relativiert die Verbrechen der Nationalsozialisten. So behauptet er, Muslime würden gezielt nach Europa einwandern, um den Kontinent zu unterwerfen. Seine Ausführungen erinnern an die Aussagen des Franzosen Renaud Camus, der wegen seiner Ideologie des "Großen Austauschs" als rechtsextremer Vordenker gilt.
Ziel: Verbot des Koran
Momikas Ziel ist, dass Schweden den Koran verbietet. Deshalb zündete er die heilige Schrift des Islam am Montag erneut an, diesmal vor dem schwedischen Reichstag. Es sollte eine Botschaft an die schwedischen Politiker sein.
Die jedoch nennen die Koranverbrennungen Aktionen eines Einzelnen, der eine "schwache Verbindung zu Schweden" habe. Momika lebt seit 2019 in dem Land, inzwischen als politischer Flüchtling, erzählt er. Bis zum vergangenen Jahr war der rechte Provokateur nach eigenen Angaben Mitglied der Schwedendemokraten.
Ein Problem für die Schwedendemokraten?
Pikant wäre das deshalb, weil die Rechtspopulisten seit dem Herbst als Mehrheitsbeschaffer für die bürgerliche Koalition indirekt an der schwedischen Regierung beteiligt sind.
Auf Anfrage wollen die Schwedendemokraten aber keine Auskunft darüber geben, welche Verbindungen Momika zu der Partei hat. Klar ist aber: Der Iraker sympathisiert weiterhin mit den Rechten. Sie seien seiner Meinung nach die einzige Partei, die Schweden schützen könne, sagt er.
"Überall in Europa Korane verbrennen"
Aufgrund der Koranverbrennungen ermittelt die schwedische Polizei inzwischen wegen Volksverhetzung gegen Momika. Seine Aufenthaltserlaubnis läuft noch bis Anfang 2024, was danach mit ihm passiert, ist unklar.
Sorgen macht sich Momika nicht, falls Schweden einen Weg findet, seinen Fall abzulehnen: "Dann beantrage ich in einem anderen europäischen Land Asyl." Überall in Europa, sagt er, wolle er Korane verbrennen, und nichts könne ihn in Schweden davon abhalten, solange es legal sei.
Sorge vor Instrumentalisierung
Doch überraschend stoppte er seine für die kommenden Wochen geplanten Aktionen, zog drei Anträge auf Demonstrationen zurück. In dem sozialen Medium X - vormals Twitter - schrieb er am Dienstagabend: "Ich habe einen Schritt zurück gemacht, um zehn Schritte nach vorn zu machen." Was er damit meint, erläutert er nicht näher.
Allerdings wolle er verhindern, dass der russische Präsident Wladimir Putin oder das türkische Staatsoberhaupt Recep Tayyip Erdogan seine Aktionen für ihre Zwecke missbrauchen könnten.
Denn Schweden vermutet eine gezielte Schmutzkampagne von ausländischen Akteuren hinter der Krise. "Russland nutzt diesen zutiefst respektlosen Umgang mit dem Koran für seine eigene Agenda in den von Russland kontrollierten Medien und Kanälen", sagt der schwedische Justizminister Gunnar Strömmer. "Zweck der Botschaften ist es, den Westen zu spalten, zu polarisieren, Konspirationstheorien zu verbreiten, Entscheidungsprozesse zu erschweren und Uneinigkeit in Ländern zu schaffen, die man beeinflussen will."
Atempause für die Regierung?
Gemeinsam mit einem weiteren Iraker war Momika im Alleingang für die letzten drei Koranschändungen in Stockholm verantwortlich. Falls er nun wirklich vorerst aufhört, könnte das der schwedischen Regierung eine Atempause verschaffen, um die diplomatischen Wogen zu glätten.
Doch auf lange Sicht will Momika weitermachen: "Ich demonstriere, bis der Koran verboten wird oder die Regierung uns zumindest zuhört und den Koran prüft."