EU-Beratungen in Schweden Wie umgehen mit Firmen, die den Krieg unterstützen?
Einige Firmen aus Staaten wie China oder Armenien schicken offenbar Waren nach Russland, die auch im Krieg einsetzbar sind - zum Beispiel Computer-Chips. Nun berät die EU, wie sie damit umgehen will - und ob Appelle genug sind.
Zehn Sanktionspakete hat die EU schon beschlossen, um Russland in seinem Krieg gegen die Ukraine zu schwächen. Aber auffällige Handelsströme lassen darauf schließen, dass Unternehmen aus Drittstaaten diese Sanktionen umgehen.
Die EU-Kommission sieht Hinweise, dass Firmen aus Staaten wie China, Armenien oder Kasachstan Waren nach Russland schicken, die dessen Kriegsmaschinerie befeuern könnten.
Teilweise geht es dabei um zivile Güter, elektronische Bauteile wie Chips, die aber auch militärisch genutzt werden können - sogenannte "Dual Use-Güter". Medienberichten zufolge soll auch die südafrikanische Regierung, Waffen und Munition an Russland geliefert haben.
Baerbock gegen Lieferung von "Dual Use-Gütern"
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock von den Grünen forderte in der Sache: keine solche Güter an Russland liefern. Sie sagte: "Unser eindringlicher Appell an alle Staaten auf dieser Welt - insbesondere an diejenigen, die zentrale Verantwortung in internationalen Gremien tragen mit Blick auf Kriegsmaterialen auf 'Dual Use-Güter' - ist sicherzustellen, dass diese nicht an den russischen Angreifer geliefert werden."
Aber reichen Appelle, um Drittstaaten unter Druck zu setzen - oder müsste die EU noch stärkere Zeichen setzen? Das ist Teil der Beratungen bei Stockholm. Nach einem Vorschlag der EU-Kommission wird auch darüber diskutiert, ob verdächtige Unternehmen auf eine Sanktionsliste gesetzt werden könnten.
China droht mit Gegenmaßnahmen
China hatte bereits mit Gegenmaßnahmen gedroht, sollte sich die Europäische Union dazu entschließen. Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis warnte davor, sich davon beeindrucken zu lassen. Er glaubt:
Wenn wir uns davon abschrecken lassen, Maßnahmen zu treffen, weil jemand dadurch verärgert sein könnte, dann würden wir ein Signal der Schwäche aussenden".
Das führt zu einem grundsätzlichen Dilemma: Die EU betrachtet China bislang als Partner, Rivalen und Wettbewerber zugleich. Sich nicht von dem Land wirtschaftlich abkoppeln, aber Risiken und Abhängigkeiten vermindern - diesen Ansatz versucht die EU-Kommission mit Leben zu füllen.
Kooperation und Unabhängigkeit zusammenbringen
Die EU-Staaten haben die Folgen dieses Ansatzes aber noch nicht für sich konkret ausbuchstabiert. Im Kern geht es um die Frage, wie Kooperation und Unabhängigkeit zusammengebracht werden können. Schwedens Außenminister Tobias Billström glaubt:
Es ist kein Problem, Chinas Entschlossenheit zu sehen und gleichzeitig zu versuchen, unter bestimmten Bedingungen Handel mit China zu betreiben.
Aber es sei wichtig, nicht naiv zu sein. China sei eine staatsgelenkte Wirtschaft - daher sollte die EU ihre Position überdenken. Außerdem sagte Billström: "Und ich möchte gerne betonen, wir sollten das gemeinsam auch mit unseren US-Partnern vertiefen. Das sollte hier beim Gymnich-Treffen besprochen werden". Damit ging Billström deutlich auf Distanz zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
Fehler in der Russlandpolitik?
Macron hatte der EU vor Kurzem noch geraten, sich unabhängiger von den USA zu machen und weniger in Chinas Taiwan-Politik einzumischen. Der polnische Staatssekretär Pawel Jablonski warnte vor einem zu wenig entschlossenem Vorgehen gegenüber China:
Wenn wir - sagen wir vor 2021 - gegenüber Russland entschiedener aufgetreten wären, wenn Europas Stimme sichtbarer gewesen wäre, dann hätte Rusland vielleicht abschreckt werden können.
Laut Jablonski sind viele Fehler in der EU-Russlandpolitik passiert - Fehler, die gegenüber anderen großen Mächten nicht wiederholt werden sollten, sagte er.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat ein Papier vorgelegt, das die EU-Chinapolitik bis zum nächsten EU-Gipfel im Juni konkreter skizzieren soll. Zu den informellen Gesprächen wird noch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erwartet. Beschlüsse sind allerdings nicht geplant.