Nach langen Verhandlungen Schweiz lässt Rahmenabkommen mit der EU platzen
Es betrifft Personenfreizügigkeit oder Arbeitnehmerrechte - seit Jahren verhandeln die Schweiz und die EU über ein Abkommen, welches die künftigen Beziehungen regeln soll. Nun stoppen die Schweizer die Verhandlungen.
Nach sieben Jahren Verhandlungen hat die Schweiz einen geplanten Rahmenvertrag mit der EU über die bilateralen Beziehungen platzen lassen. Es habe keine Einigung über entscheidende Punkte gegeben, sagte der Schweizer Präsident Guy Parmelin.
"Der Bundesrat hat festgestellt, dass die Gespräche in drei Bereichen mit der EU nicht zu den nötigen Lösungen geführt haben. Deshalb hat der Bundesrat entschieden, die Verhandlungen zu beenden", teilte Parmelin mit.
Die Schweiz bleibe jedoch zuverlässige Partnerin der Europäischen Union, versicherte Außenminister Ignazio Cassis. Er erwarte, dass die geltenden bilateralen Verträge weiter angewendet und Gespräche über neue Verträge fortgesetzt werden. Zudem würde man gerne in einem "politischen Dialog" mit der EU die Zusammenarbeit weiterentwickeln.
Von links nach rechts: Außenminister Cassis, Bundespräsident Parmelin und Justizministerin Keller Sutter auf dem Weg zur Pressekonferenz. Nach sieben Jahren beendet die Schweiz die Verhandlungen über das Rahmenabkommen.
Schweiz will Anpassungen an EU-Recht vornehmen
Cassis versprach zugleich, sich im Parlament für die Auszahlung eines bislang zurückgehaltenen Beitrags der Schweiz zur Unterstützung der neueren EU-Mitglieder einzusetzen. Dabei geht es 1,3 Milliarden Franken (1,2 Mrd Euro). Außerdem will die Schweiz einseitig in bestimmten Bereichen Anpassungen an EU-Recht vornehmen, um Handelshürden zu vermeiden, sagte Justizministerin Karin Keller-Suter.
Die Schweiz setzt mit dem Ende der Verhandlungen das traditionell enge Verhältnis zur EU einer Belastungsprobe aus. Auch ohne das Rahmenabkommen bleiben die bilateralen Verträge zwischen der EU und der Schweiz aber bestehen, für Grenzgänger etwa ändert sich zunächst nichts. Allerdings hat die Europäische Union diese Woche gewarnt, mit welchen Folgen die Schweiz ohne den Abschluss rechnen müsse: Es werde keine weiteren Abkommen geben, und ältere Abkommen würden möglicherweise nicht aktualisiert.
Entsprechend bedauerte die EU die Entscheidung der Schweiz. "Ohne dieses Rahmenabkommen wird diese Modernisierung der laufenden Beziehungen unmöglich", erklärte die Behörde. "Die bestehenden bilateralen Abkommen werden zwangsläufig veralten."
EU will "gleiche Bedingungen für alle"
Die EU und die Schweiz verhandeln bereits seit 2014 über das Rahmenabkommen, das bisherige Vereinbarungen zwischen beiden Seiten unter einem Dach zusammenfassen soll. Eigentlich ist der Vertrag schon seit 2018 ausgehandelt - in der Schweiz gab es aber massive Bedenken, was zu Nachforderungen aus Bern führte.
Zuletzt beharrte die Schweiz darauf, Streitfragen zu entsendeten Arbeitnehmern, Staatsbeihilfen und der Personenfreizügigkeit aus dem Abkommen zu nehmen. Dies lehnte die EU ab.
Ziel des Abkommens sei die Weiterentwicklung und Modernisierung der beiderseitigen Beziehungen, erklärte die Kommission nun. Es hätte sicherstellen sollen, "dass für alle gleiche Bedingungen gelten", die im EU-Binnenmarkt agierten. Privilegierter Zugang zum Binnenmarkt setze voraus, "dass alle die gleichen Regeln und Pflichten respektieren".
Bilaterale Beziehung braucht neue Regeln
Brüssel verwies darauf, dass bereits 50 Jahre seit Inkrafttreten eines Freihandelsabkommens mit der Schweiz vergangen seien und 20 Jahre seit den ersten bilateralen Abkommen. "Schon heute kann diese Grundlage nicht mehr mit dem Tempo mithalten, in dem sich die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz entwickeln", erklärte die Kommission. Sie kündigte an, "die Folgen dieser Ankündigung sorgfältig zu analysieren".
Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU, über bilaterale Verträge aber in viele europäischen Projekte eingebunden. Sie hat auch Zugang zum EU-Binnenmarkt und gewährt im Gegenzug die Personenfreizügigkeit. Nach EU-Angaben leben 1,4 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger in der Schweiz - darunter 300 000 Deutsche -, und gut 340.000 EU-Bürger pendeln jeden Tag in die Schweiz. 400.000 Schweizer leben in der EU.
Der Handel mit der EU macht 60 Prozent des Schweizer Bruttoinlandsprodukts aus, gefolgt von den USA mit knapp zwölf Prozent. Umgekehrt ist die Schweiz für die EU der viertgrößte Handelspartner nach den USA, China und Großbritannien.