Russland-Ukraine-Konflikt Putin genehmigt Militäreinsatz in Ukraine
Beobachter warteten seit Tagen auf eine russische Invasion in die Ukraine. Nun hat Präsident Putin einen Militäreinsatz angeordnet. Die Separatisten in Luhansk und Donezk hatten ihn zuvor um militärischen Beistand gebeten.
Kremlchef Wladimir Putin hat im Konflikt mit der Ukraine einen Auslandseinsatz des russischen Militärs in den Regionen Luhansk und Donezk offiziell angeordnet. "Ich habe beschlossen, eine Sonder-Militäroperation durchzuführen", sagte Putin am Morgen in einer Fernsehansprache. "Ihr Ziel ist der Schutz der Menschen, die seit acht Jahren Misshandlung und Genozid ausgesetzt sind."
Putin entsprach damit einer schriftlichen Bitte der Chefs der sogenannten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk um Beistand, um Angriffe von der ukrainischen Armee abzuwehren. Der Kremlchef hatte zuvor ein militärisches Eingreifen schriftlich in Aussicht gestellt, sollte er gefragt werden. Damit stehen sich bald erstmals russische und ukrainische Soldaten in dem seit acht Jahren dauernden Konflikt gegenüber. "Dafür werden wir die Entmilitarisierung und die Entnazifizierung der Ukraine anstreben", sagte Putin.
Russland startet Raketenangriffe
Kurze Zeit später wurden aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew Explosionen gemeldet. Der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge hat Russland Raketenangriffe auf militärische Ziele in der ganzen Ukraine begonnen. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba spricht von einem "großangelegten Krieg gegen die Ukraine"
Laut US-Präsident Joe Biden habe Russland "vorsätzlich" einen "Krieg" gegen die Ukraine begonnen. Russland alleine sei verantwortlich für die dadurch ausgelösten Todesfälle und das menschliche Leid, so Biden in einer ersten Stellungnahme. Die USA und ihre Verbündeten würden Russland entschlossen dafür "zur Rechenschaft ziehen", erklärte er.
Sogenannte "Volksrepubliken" bitten Putin um Hilfe
Am Montag hatte er die Separatistengebiete als unabhängige Staaten anerkannt. In Medien und Blogs hatten Augenzeugen darüber berichtet, dass die russischen Soldaten bereits im Konfliktgebiet seien. Die russische Führung hatte behauptet, es seien keine eigenen Soldaten dort. Die Separatisten hatten zunächst erklärt, sie wollten alleine für die Sicherheit sorgen. Putin hatte sich nach der Anerkennung der sogenannten "Volksrepubliken" vom Föderationsrat in Moskau vorsorglich eine Erlaubnis für den Einsatz von russischen Streitkräften im Ausland erteilen lassen.
Die russische Staatsagentur Tass veröffentlichte die Briefe des Chefs der sogenannten "Volksrepubliken", die um Hilfe Russlands baten, um Opfer in der friedlichen Bevölkerung und eine humanitäre Katastrophe in der Region zu vermeiden. Zugleich dankten sie Putin für die Anerkennung als unabhängige Staaten. Es gebe nun eine militärische Aggression seitens der ukrainischen Streitkräfte, es werde Infrastruktur zerstört, darunter Schulen und Kindergärten, hieß es.
"Die Handlungen des Regimes in Kiew zeugen von der Weigerung, den Krieg im Donbass zu beenden", hieß es in dem Schreiben. Die Ukraine weist zurück, Krieg gegen den Donbass zu führen. Sie sieht Russland als Aggressor und verhängte einen Ausnahmezustand im ganzen Land. Der Westen wirft Putin einen Völkerrechtsbruch vor. Die EU und die USA verhängten weitreichende Sanktionen gegen Russland. Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen.
Selenskyjs emotionale Bitte
Vor Putins Ansprache hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer emotionalen Videobotschaft in der Nacht auf Russisch für Frieden geworben und warnte, dass ein Einmarsch in seinem Land den Tod von Zehntausenden Menschen bedeuten könnte. "Das Volk der Ukraine und die Regierung der Ukraine wollen Frieden. Aber wenn ein Angriff auf uns verübt wird, der unsere Freiheit und die Leben unserer Leute bedroht, werden wir uns wehren", sagte Selenskyj.
Er habe versucht, am Mittwochabend eine Telefonat mit Putin zu arrangieren, habe aber keine Antwort vom Kreml erhalten. Er warnte davor, mit der Entsendung von Soldaten einen großen Krieg auf dem europäischen Kontinent zu beginnen. "Jegliche Provokation, jeglicher Funke könnte einen Brand auslösen, der alles zerstören wird", sagte Selenskyj.
Ausnahmezustand in der Ukraine in Kraft
Seit Mitternacht galt in der Ukraine auch der Ausnahmezustand. Das Parlament stimmte für die Notmaßnahme, durch die leichter Proteste untersagt und politische Parteien und Bewegungen verboten werden. Außerdem sollten keine Informationen mehr verbreitet werden dürfen, die "die Lage im Land destabilisieren könnten", hieß es in dem Dokument.
UN-Sicherheitsrat tagt
Vor dem Hintergrund der Kriegsgefahr befasste sich auch der UN-Sicherheitsrat in einer neuerlichen Dringlichkeitssitzung mit der Lage in der Ukraine. UN-Generalsekretär António Guterres appellierte an Moskau: "Präsident Putin, im Namen der Menschlichkeit: Bringen Sie Ihre Truppen zurück nach Russland", sagte Guterres nach einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. "Dieser Konflikt muss jetzt beendet werden." Guterres sprach von dem möglicherweise schwersten Konflikt in Europa seit Jahrzehnten und seinem "traurigsten Tag" als UN-Generalsekretär. Die Folgen für die Weltwirtschaft seien unvorhersehbar. "Für mich ist klar, dass dieser Krieg keinen Sinn macht. Es verstößt gegen die Grundsätze der (UN)-Charta."
Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja gab dagegen der Ukraine die Schuld. "Es scheint, dass die ukrainischen Kollegen, die in letzter Zeit von einer Vielzahl von Staaten aktiv bewaffnet und angestachelt wurden, immer noch die Illusion hegen, dass sie mit dem Segen ihrer westlichen Sponsoren eine militärische Lösung des Problems im Donbass erreichen können", so Nebensja bei der Dringlichkeitssitzung.
Der ukrainische UN-Botschafter griff seinen russischen Amtskollegen daraufhin scharf an. "Wir verurteilen die Aggression, die Sie gegen mein Volk verüben. Es gibt kein Fegefeuer für Kriegsverbrecher. Sie fahren direkt zur Hölle, Botschafter", sagte Serhij Kyslyzja zum russischen Vertreter Wassili Nebensja.