SIPRI-Bericht Europas Waffenimporte seit 2019 fast verdoppelt
Die Friedensforscher von SIPRI verzeichnen deutlich mehr Waffenimporte nach Europa. Hauptexporteur bleiben die USA. Auf Platz zwei folgt nicht mehr Russland, sondern Frankreich. Großer Abnehmer: die Ukraine.
Die europäischen Staaten haben ihre Waffenimporte fast verdoppelt. Das geht aus dem Bericht von SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) hervor. Die Friedensforscher vergleichen immer Fünfjahreszeiträume. In den Jahren 2019 bis 2023 war der Bedarf an Waffen in den Ländern Europas besonders groß. Das liegt zum einen an den umfangreichen Lieferungen in die Ukraine.
Die Ukraine rangiert weltweit auf Platz vier der Länder, die die meisten Waffen importiert haben. Doch das allein erklärt den europäischen Import-Anstieg nicht, sagt Pieter Wezeman von SIPRI. "In den vergangenen zehn Jahren haben wir gesehen, wie die Wahrnehmung in Europa bezüglich der russischen Bedrohung förmlich explodiert ist."
Sämtliche europäische Staaten seien zu dem Schluss gekommen, dass sie ihre militärischen Kapazitäten ausbauen müssten, so der Wissenschaftler. Das bedeutete, dass sie Waffen sowohl kaufen als auch importieren müssen. "Denn die meisten europäischen Länder haben keine umfassende eigene Rüstungsindustrie."
Frankreich erstmals zweitgrößter Waffenexporteur
Auch bei den Waffenexporten gibt es eine deutliche Veränderung. Die USA liegen nach wie vor an der Spitze, doch auf Platz zwei folgt nicht mehr Russland, sondern Frankreich. Das Land konnte seine Exporte zwischen 2019 und 2023 um 47 Prozent steigern - im Vergleich zum Fünfjahreszeitraum zuvor. Gleichzeitig ist Russland auf Platz drei abgerutscht, wegen deutlich weniger Exporte.
"Es gab auch eine erhebliche Nachfrage nach Waffen außerhalb Europas und zahlreiche Länder haben entschieden, in Frankreich zu kaufen statt in Russland", so Wezeman von SIPRI. "Das kann sowohl politische als auch technische Gründe haben. China beispielsweise ist inzwischen in der Lage, seine eigenen Waffen in zufriedenstellender Qualität zu produzieren, und hat keinen Bedarf mehr an russischen Importen."
Deutschland liegt auf Platz fünf der weltweit größten Waffenexporteure. Ein Teil der hier produzierten Waffen bleibt in Europa - aber bei Weitem nicht alle, sagt Wezeman von SIPRI. "Ägypten hat eine ganze Reihe an Fregatten und U-Booten aus Deutschland bezogen. Und auch Israel hat in den vergangenen Jahren Schiffe und Motoren für Panzer aus Deutschland gekauft." Singapur sei ebenfalls ein wichtiger Abnehmer, mit ersten U-Bootlieferungen in 2023.
Weltweiter Zuwachs gering
Ein Blick auf die globale Entwicklung des Waffenhandels zeigt: Insgesamt ist der weltweite Zuwachs von Importen zwischen 2019 und 2023 gering und liegt bei nur drei Prozent. Die Regionen mit den meisten Waffenimporten sind Asien und Ozeanien. Hintergrund hier sind Spannungen zwischen China auf der einen Seite und Taiwan, Japan, den Philippinen und Singapur auf der anderen, so der SIPRI-Forscher. Es folgen der Nahe Osten und Europa.
Waffenhandel hat sowohl eine ökonomische als auch eine politische Dimension. Denn wohin man verkauft oder von wem man importiert - das hängt eng mit der eigenen außenpolitischen Ausrichtung zusammen. In Europa werde zwar viel über eine eigene Waffenindustrie mit wenig Abhängigkeiten diskutiert - das jedoch sei eher Zukunftsmusik, so der SIPRI-Forscher Wezeman.
"Über Nacht wird sich Europa nicht von den USA abkoppeln"
"Viele europäische Länder haben stark in Waffen aus den USA investiert. Und Waffen haben eine sehr lange Lebensdauer", sagt Wezeman. Wenn man jetzt ein "F-35"-Kampfflugzeug aus den USA kaufe, werde es für die nächsten 20 oder 30 Jahre in Betrieb bleiben. "Über Nacht wird sich Europa nicht von den USA abkoppeln, soweit wir das aktuell beobachten können."
SIPRI ist ein unabhängiges Friedensforschungsinstitut mit Sitz in Stockholm. Bereits seit Ende der 1960er-Jahre veröffentlichen die Analysten regelmäßig Daten zu Waffentransfers, Militärausgaben oder atomaren Sprengköpfen. Finanziert wird die Forschung vom schwedischen Staat.