Slowakei Der fast unheilbare Patient
Tausende Krankenhausärzte in der Slowakei haben die Kündigung eingereicht - aus Protest gegen schlechte Arbeitsbedingungen. Die Regierung will die unzufriedenen Ärzte nun zur Arbeit zwingen - andernfalls drohen Haftstrafen.
Schon kurz nach der Ankündigung der neuen Regelungen schlug der Regierung von den slowakischen Ärzten im Netz eine Welle von Zorn und Zynismus entgegen. "Die Ärzte fordern eine geordnete Finanzierung der Krankenhäuser - und sie reagieren mit Zwangsarbeit?", hieß es an die Adresse des Premiers. Und ein Kollege fügte hinzu: "Mich erwarten bis Jahresende noch zehn 24-Stunden-Dienste. Knast ist da keine Strafe, sondern eine willkommene Auszeit."
Zurückziehen wollen sie ihre Kündigungen nur, wenn die Regierung eine Reihe von Forderungen erfüllt. Dazu gehören eine bessere Ausstattung der Krankenhäuser und die Einstellung von zusätzlichem Personal, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern - aber auch einen Privatisierungsstopp für staatliche Kliniken.
Vorwurf: Korruption und Vetternwirtschaft
Bisher sei es mit dem neuen Gesundheitsminister Kamil Sasko zu keiner Einigung gekommen. "Anscheinend bewegt sich im slowakischen Gesundheitssystem nur etwas, wenn wir wirklich kündigen", sagte der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft LOZ, Peter Visolajsky, vor Journalisten in Bratislava.
Es falle ihm schwer, seine kleinen Patienten zu verlassen, so der Kinderarzt. Doch zu groß sei für ihn und seine Kollegen die Unzufriedenheit über die katastrophalen Zustände im Gesundheitssystem in der Slowakei. Bei der Kündigungswelle gehe es vielen mehr als nur um Gehälter, es gehe um Korruption und Vetternwirtschaft, die das System ruiniere.
"Die Regierung regt sich darüber auf, dass die Löhne um acht oder 9,5 Prozent steigen sollen. Aber es stört sie nicht, dass die Gewinne der Unternehmer im Gesundheitssystem jedes Jahr um 20 Prozent steigen. Denn leider sind diese Unternehmen in der Slowakei mit der Politik verflochten", so Visolajsky.
Zum Jahreswechsel droht Notstand in Kliniken
Sollten die Ärzte Ihre Kündigungen aufrechterhalten, könnte dies in der gesamten Slowakei und besonders in den Großstadtregionen mit dem Jahreswechsel zu massiven Einschränkungen in den Krankenhäusern führen. Die Regierung hat daher am Abend im Eilverfahren ein Gesetz durchgedrückt, mit dem sie Ärzte im Falle eines medizinischen Notstands zur Arbeit zwingen kann - und das unter Androhung einer Haftstrafe von bis zu einem Jahr.
Gesundheitsminister Sasko betonte, dass sich ein eventueller Notstand jeweils nur auf einzelne Verwaltungsbezirke beziehen würde. Zugleich zeigte er sich zuversichtlich, dass eine Einigung mit der Ärztegewerkschaft in Reichweite sei. Die zentralen Forderungen habe man bereits erfüllt, so Sasko. Die Möglichkeit einer Zwangsverpflichtung von Ärzten sei dennoch notwendig, um die medizinische Versorgung in jedem Falle sicherstellen zu können.
Fico spielt Situation herunter
Betont unbeteiligt gibt sich der slowakische Premier Fico. Er lobte die Arbeit der Ärzte, erinnerte daran, dass sie ihm nach dem Attentat im Mai das Leben gerettet hatten. Es gebe nur noch geringe Differenzen, er könne sich nicht vorstellen, dass die Ärzte dafür ihre Patienten im Stich lassen würden, so Fico. Die wenig publikumswirksame Auseinandersetzung selbst überlässt Fico aber dem Fachminister Sasko - und damit dem Koalitionspartner.
Noch behandeln die slowakischen Ärzte, bis Ende Dezember läuft die Kündigungsfrist. Doch Peter Visolajsky und seine Kollegen wollen hart bleiben, spüren einen großen Rückhalt in der Bevölkerung.
Vor allem bei jungen Menschen hier ist der Unmut groß. Nicht nur wegen der Zustände in den Krankenhäusern. Sie meinen, Ficos autokratischer Kurs - der Umbau bei Justiz, Kultur und Medien - mache aus der ganzen Slowakei doch einen fast unheilbaren Patienten.