Olivenanbau in Spanien Ernten, bevor die Diebe kommen
Seit der Preis für Olivenöl massiv angestiegen ist, werden auch in Spanien die Bauern immer öfter Opfer von Dieben, die die Ernte klauen. Für die Bauern ist das existenzbedrohend. Sie fühlen sich alleingelassen.
Antonio Massa springt mit einem Satz auf den Sitz seines Traktors. Mit grimmigem Gesichtsausdruck legt er den Schalthebel um und gibt Gas. Massa muss sich beeilen, denn in der Nacht waren Olivendiebe unterwegs und haben Dutzende Bäume heimlich abgeerntet.
Den Schaden schätzt Massa auf 1200 Euro. "Wir Olivenbauern haben es ohnehin schwer. Jetzt kommen auch noch diese Diebe und klauen unsere Ernte - das ist ein schwerer Schlag."
Rasend schnell steuert Massa durch den Olivenhain, hält vor einem Stamm, den der Greifarm seines vorderen Aufsatzes fest umklammert, bevor er den Baum heftig zu rütteln beginnt. Schlagartig öffnet sich eine kreisrunde orangene Plastikplane, die die herunterfallenden Oliven auffängt. "Wir müssen schnell alles ernten, bevor die Diebe wiederkommen."
Langfristige Folgen
Massa und seine Nachbarn versuchen gemeinsam zu retten, was zu retten ist. Seit Monaten schon kommen immer wieder Diebesbanden in ihr Dorf Navalvillar de Pela und klauen manchmal mehrere Autoladungen an reifen Oliven.
"Einmal waren es sogar 12.000 Kilo Oliven in einer Nacht. Dabei schlagen sie so heftig auf die Äste ein, dass diese brechen und jahrelang keine Früchte mehr tragen." Selbst vor hunderte Jahre alten Bäumen machen die Kriminellen nicht Halt.
Massa registriert seit Sommer 2023 deutlich mehr Diebe als früher. Damals war der Preis für Olivenöl sprunghaft angestiegen. Zwischen 2022 und 2023 hatte er sich mehr als verdoppelt. In spanischen Supermärkten müssen seitdem wertvolle Flaschen extra gesichert werden.
Grund für den Preisanstieg waren zwei Jahre mit heftigen Dürren und Wassermangel. Diese Klimaextreme sorgten für eine Halbierung von Spaniens Olivenernte.
Auch bei Antonio waren viele Bäume vertrocknet. Trotz der gestiegenen Preise machte Massa wegen der Ernteausfälle unter dem Strich Verluste und dachte sogar darüber nach, die Arbeit als Olivenbauer aufzugeben.
Tagsüber schuften, nachts patrouillieren
Dabei war er vor 15 Jahren aus Madrid in seine Geburtsstadt Navalvillar de Pela zurückgekehrt, um auf dem Land zur Ruhe zu kommen. Massa züchtet Merino-Lämmer, Wurst und Käse produziert er mit seiner Frau selbst.
Doch sein Traum von der Idylle, vom Leben auf dem Land, ist längst zerplatzt. "Wir schuften tagsüber, laden die Ernte ab, springen unter die Dusche und müssen dann noch nachts mit dem Auto in unseren Feldern patrouillieren - bis ein, zwei Uhr."
Die Lichter seines Geländewagens strahlen tief hinein in den Hain. Zusammen mit 30 Mitstreitern durchkämmt Massa in der Haupterntesaison das gesamte Anbaugebiet. "Ich bin müde, muss den Sprit für die Patrouille zahlen und sehe meine Familie nicht - doch mir bleibt nichts anderes übrig."
Viele Wiederholungstäter
Dass der Kampf um die Oliven zunimmt, ist mancherorts sichtbar. Bauern hatten in der Region Badajoz eine Diebesbande auf frischer Tat ertappt und kurzerhand eines ihrer Autos angezündet. Zurückgeblieben sind nur noch die verkohlten Reste am Feldrand.
Manchmal übergeben Masa und seine Nachbarn Diebe, die sie schnappen, an die Polizei. Dennoch gebe es sehr viele Wiederholungstäter.
Bei einer Patrouillen-Pause kritisiert Olivenbäuerin Luisa Serrano, "dass viele Diebe von der Polizei am nächsten Tag wieder auf freien Fuß gesetzt werden".
Francisco Jimenez pflichtet ihr bei: "Ohnehin patrouilliert die Polizei nur auf der Landstraße. Wir Bauern sind es, die wirklich im Feld aufpassen und wissen, wo die Oliven hängen, auf die sie es abgesehen haben."
Bei Straßenkontrollen gehen der spanischen Polizei immer wieder Olivendiebe ins Netz, die keine Dokumente für ihre Fracht nachweisen können.
Die Täter sind im Vorteil
Gegenüber tagesschau.de erklärt Spaniens Guardia Civil, dass die Behörden Diebstahl per Gesetz erst ab einem Wert von 400 Euro pro Täter als solchen verfolgen können. Weil die Diebesbanden meist darauf achten, diesen Wert nicht zu überschreiten, müsse die Polizei Täter oft wieder laufen lassen.
Fran Camorra, ein Ermittler der Umweltpolizei "Seprona" schätzt ohnehin, dass die Polizei nur "maximal zehn Prozent der Diebe erwischt. Der Erfolg ist minimal."
Und das, obwohl die Ermittler mittlerweile Motorräder und Drohnen zur Jagd auf die Täter einsetzen. Doch die Anbaugebiete seien zu groß, zu weitläufig und die Täter heutzutage schlicht zu viele, auch was den Einbruch in Olivenmühlen angeht.
Kann die Ölmühle überleben?
José Medina betreibt seine Ölmühle in Zafra seit 25 Jahren. Neben Massenware für Restaurants exportiert er ausgewählte Öle auch nach Japan und Taiwan. Doch jetzt weiß Medina nicht, ob er seine Mühle mit den sieben Mitarbeiter weiter betreiben kann.
Denn 2023 wurde bei ihm gleich vier Mal eingebrochen. Die Täter waren Profis, die erst der Alarmanlage den Strom abgestellt hatten, um anschließend mit einem Lkw zahlreiche Paletten zu stehlen.
Der Schaden für Medina: 80.000 Euro. Jetzt kämpft er darum, dass die Versicherung zahlt. Wenn nicht, sieht es düster aus. "Ich fühle mich machtlos, wütend und hätte Lust, die Täter umzubringen. All unsere Mühe steckte in dem Öl, das jetzt weg ist."
Viele Bauern verkaufen ihre alten, gestutzten Bäume inzwischen nach Japan und den arabischen Raum, um auf eine Anbauart umzusteigen, die mehr Profit bringt.
Ruf nach härteren Strafen
Antonio Massa fordert, dass der Staat strengere Strafen verhängt und härter gegen Olivendiebe und die Hintermänner durchgreife. "Irgendwo gibt es Bauern, die diesem Diebespack die Oliven abkaufen und als Öl in den legalen Kreislauf einschleusen." Das solle die Polizei verfolgen.
Aufgeben will Massa vorerst nicht. Kraft gebe ihm die Gemeinschaft. "Wir wollen den Dieben zeigen, dass unser Dorf vereint ist. Sie sollen Angst kriegen und ja nie wieder hierherkommen, um uns die Butter vom Brot zu nehmen."
Auch Massas Sohn Sergio will weitermachen. Der 19-Jährige soll den Hof eines Tages übernehmen - wenn die Klimaextreme es zu- und die Diebstähle nachlassen.
Eine längere Reportage zum Thema sehen heute um 19.40 Uhr auf ARTE.