Nach schweren Unwettern Viele Dörfer in Griechenland noch abgeschnitten
In den Hochwassergebieten in Griechenland hat die Feuerwehr hunderte Menschen aus den Wassermassen gerettet. Doch viele Dörfer sind nach den schweren Unwettern nach wie vor von der Außenwelt abgeschnitten. Nun wird auch das Militär eingesetzt.
Hochwasser, Erdrutsche und gebrochene Dämme: Im Zentrum Griechenlands kämpfen die Einsatzkräfte mit den Folgen eines Sturmtiefs. "Die Ebene von Thessalien hat sich in einen riesigen See verwandelt", sagte ein Feuerwehrsprecher dem Sender ERT. Die Einsätze, um die Bewohner in Sicherheit zu bringen, gestalteten sich schwierig.
Dutzende Menschen wurden mit Hubschraubern von den Dächern ihrer Häuser gerettet. Mindestens drei Dörfer waren nicht mehr zu erreichen und die Bewohner baten in Anrufen bei Radiosendern dringend um Hilfe. Rund 60 Menschen wurden nach Angaben der Feuerwehr mit Hubschraubern in Sicherheit gebracht.
Einige berichteten Medien, sie hätten die Nacht und den größten Teil des Tages ohne Essen und Wasser auf den Dächern verbracht. Die Hubschrauber, die die Rettungsarbeiten im Umkreis der Stadt Karditsa fortsetzten, konnten nach Angaben der Behörden wegen häufiger Blitze zunächst nicht eingesetzt werden.
Hunderte Menschen wurden gerettet
Auch in anderen Landesteilen der Region Thessalien versucht die Feuerwehr, trotz der weggespülten Straßen entlegene Gebiete zu erreichen. An den Einsätzen sind demnach auch Spezialisten für Wasserrettung und Taucher der Katastrophenschutzeinheiten sowie Soldatinnen und Soldaten beteiligt.
Die Leiche eines Mannes, der am Mittwoch als vermisst gemeldet wurde, wurde aus einem Fluss geborgen. Stunden später entdeckte die Feuerwehr im Raum Karditsa die Leichen von zwei Frauen. Damit stieg die Zahl der Todesopfer durch das Hochwasser auf sechs. Weitere sechs Menschen galten als vermisst. Der griechische Minister für Klimakrise und Katastrophenschutz, Vassilis Kikilias, sagte, bisher seien mehr als 885 Menschen gerettet worden. Für den weiteren Verlauf des Tages wurde Regen vorhergesagt.
Rund 700.000 Bewohner betroffen
Seit Montagabend war Griechenland vom Sturmtief "Daniel" heimgesucht worden. Besonders in der Region Thessalien gingen heftige Regenfälle nieder. Dort leben rund 700.000 Menschen - so gut wie alle seien von der Flut betroffen, erklärten die Behörden.
Das Wasser hat das Land mittlerweile geradezu in zwei geteilt: Seit Dienstagabend ist die wichtigste Autobahn zwischen Athen und Thessaloniki auf einer Strecke von 200 Kilometern gesperrt. Thessalien gilt als die Kornkammer Griechenlands. Was das Extremwetter für die Ernte bedeutet, steht noch längst nicht fest. Die meisten Felder dürften zerstört sein.
Mitsotakis entsendet Soldaten
Angesichts der dramatischen Situation verschob Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis seine geplante Rede zur Lage der Wirtschaft. Er will stattdessen die Hochwassergebiete am Wochenende besuchen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Er ordnete den Einsatz des Militärs in den betroffenen Regionen an.
Unter den Einheiten wird auch eine Brigade von Marineinfanteristen sein, die nahe der völlig verschlammten Hafenstadt Volos stationiert ist. Nach Angaben des Regierungssprechers Pavlos Marinakis soll das Militär mit schwerem Gerät wie gepanzerten Fahrzeugen helfen, die zu den isolierten Dörfern vordringen können. Zudem sollen Militäringenieure behelfsweise Brücken dort installieren, wo welche eingestürzt sind.
Bewohner sollen entschädigt werden
In Larisa, der Hauptstadt der Region Thessalien, wurde ein Krisenstab eingerichtet. Priorität hat nach den Worten des Regierungssprechers die Rettung von Menschen in der fast vollständig überschwemmten Region.
Nach Angaben der Regierung sollen die Reparaturarbeiten an der Infrastruktur in Thessalien beginnen, sobald die Regenfälle nachlassen. Innenministerin Niki Kerameus sagte dem Fernsehsender Skai, die Behörden hätten mit der Bestandsaufnahme der Schäden begonnen. Den betroffenen Bewohnern "werden Entschädigungen ausgezahlt", versicherte sie.
Regierung: Dieses Phänomen noch nicht erlebt
Regierung und Experten stufen die im Katastrophengebiet niedergegangenen Regenmengen als extremes Wetterphänomen ein. In der Präfektur Magnisia fielen binnen 24 Stunden 600 bis 800 Liter Regen, wie der staatliche Meteorologe Dimitris Ziakopoulos bekannt gab. So viel Regen an einem Tag sei seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1955 noch nie in Griechenland gemessen worden.
"Unser Land sieht sich nun schon den dritten Tag mit einem Phänomen konfrontiert, wie wir es in der Vergangenheit noch nicht erlebt haben", sagte Regierungssprecher Marinakis. Er wies darauf hin, dass in einigen Gebieten innerhalb von zwölf Stunden mehr als das Doppelte der durchschnittlichen jährlichen Niederschlagsmenge von Athen gefallen sei.
EU-Politiker fordern schnelle Hilfen
Auch in Griechenlands Nachbarländern Türkei und Bulgarien hatte es in den vergangenen Tagen heftige Regenfälle gegeben. In den drei Ländern starben insgesamt mindestens 18 Menschen. Angesichts der heftigen Unwetter in Südosteuropa forderten EU-Politiker schnellere Hilfen für die betroffenen Länder sowie eine bessere Vorbereitung.
"Wie bereits in früheren Naturkatastrophen anderer EU-Mitgliedstaaten sollte der EU-Solidaritätsfonds für den Wiederaufbau in Anspruch genommen werden", sagte die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es wäre ein Fehler zu glauben, dass es sich nur um gewöhnliche Wetterphänomene handele, betonte die SPD-Politikerin. Europa müsse entschlossener voranschreiten, so Barley.