Abwehr russischer Angriffe Warum die Ukraine auf Drohnen setzt
Stärker als Russland setzt die Ukraine im Krieg auf den Einsatz von Drohnen. Neben türkischen und US-amerikanischen werden nun auch deutsche Drohnen genutzt. Welche kommen zum Einsatz - und wofür?
Sie summt wie eine große Hummel und landet schließlich senkrecht auf dem Boden - die Drohne Vector. Ein Video ihres Flugs veröffentlichte der ukrainische Journalist Juri Butussow auf seiner Facebook-Seite. Die Aufnahme soll zeigen, dass die Vector-Drohne schon vor Ort sei, die erste deutsche Drohne in der Ukraine.
Erfahrungen aus Libyen und Bergkarabach
Hergestellt wird sie vom Unternehmen Quantum Systems in der Nähe von München. Firmengründer Florian Seibel bestätigte die Lieferung. Sie sei über einen vermögenden Ukrainer zustande gekommen. Ein erstes Test-System sei bereits ausgeliefert worden und in der Ostukraine im Einsatz.
"Es war in den ersten Tagen so erfolgreich, dass sich zwei weitere auf dem Weg dorthin befinden", so Seibel. Über das Bundesverteidigungsministerium habe die Bundeswehr acht Systeme bestellt, "die in den nächsten Wochen auch rübergehen, dann als offizieller Teil aus Deutschland."
Die ukrainischen Streitkräfte setzen auf Drohnen. Wie die Kämpfe 2020 in Libyen und Bergkarabach gezeigt haben, können Drohnen eine wichtige Rolle spielen. Die ukrainische Armee verwendet unbemannte Fluggeräte vor allem, um russische Artilleriesysteme und Panzer zu zerstören.
Am bekanntesten ist der Einsatz der türkischen Bayraktar-Kampfdrohnen. Sie können bis zu 300 Kilometer weit fliegen und vier Geschosse abwerfen. Schätzungen zufolge verfügte die Ukraine vor dem Ausbruch des Krieges über etwa 50 Bayraktars. Das Land soll inzwischen weitere gekauft haben. Hergestellt werden sie vom Unternehmen Baykar, es pflegt enge persönliche Kontakte zum türkischen Präsidenten.
Militärtechnik "zum Schmelzen" bringen
Die Bayraktar-Drohnen werden in der Ukraine regelrecht gefeiert. Nach ihnen wurde ein Online-Spiel benannt und den Drohnen wurde sogar ein Lied gewidmet, das prompt viral ging. Darin besingt der Autor unter anderem, wie Bayraktar die russische Militärtechnik "zum Schmelzen" bringe.
Doch diese Drohnen sind hochpräzise Kampfgeräte, die auch die russische Luftabwehr ins Visier nehmen - und etwa 1,5 Millionen Euro teuer. Die ukrainischen Streitkräfte setzen deshalb vermehrt auch kostengünstigere Drohnen ein, um die gegnerischen Positionen auszukundschaften und die eigene Artillerie zu koordinieren.
"Moskito"-Taktik statt Schwerfälligkeit
Diesem Zweck sollen auch die deutschen Drohnen dienen, erklärt Florian Seibel:
Dieses System wird auch verwendet, um Artilleriefeuer zu dirigieren. Weil gerade ältere Artillerie-Systeme am Anfang ungenau schießen. Und um da das Feuer ins Ziel zu bringen, werden dann in 15 bis 20 Kilometer Entfernung die Drohnen kreisen gelassen und sehen quasi live, wo die Artillerie-Geschosse landen und können dann aktiv korrigieren. Jede Einheit kann sich im Prinzip ihr eigenes Lagebild verschaffen - weiß genau Bescheid, wo der Feind steht.
Dieses Vorgehen nennen ukrainische Militäranalysten die "Moskito"-Taktik. Agile, kleinere Einheiten, die zwar im Rahmen einer übergeordneten Strategie handeln, aber vor Ort autark über Angriffe entscheiden und diese ausführen. Dieser eigenverantwortliche lokale Kampf unterscheide die ukrainische Armee von der russischen.
Dieser werden eher starre Entscheidungsketten nachgesagt. Das befähigt sie zwar zu massiven Angriffen, macht die Truppe aber insgesamt schwerfällig. Und gegenüber der Eigeninitiative einzelner ukrainischer Kompanien verwundbar, die durch Aufklärungsdrohnen auch noch Informationsüberlegenheit erhalten.
Eine Drohne von Typ Vector bei einer Fachmesse Anfang März 2022 in Nürnberg. Die Ukraine bekommt auch mehrere Drohnen von diesem Typ aus Deutschland.
Auch Drohnen aus dem eigenen Land im Einsatz
Die ukrainischen Soldaten verwenden auch einheimische Fluggeräte. Am meisten verbreitet ist die Drohne Leleka-100. Die etwa fünf Kilogramm leichten Lelekas werden von der Firma Deviro mit Sitz in Dnipro in der Zentralukraine produziert. Leleka heißt Storch auf Ukrainisch.
300 "Störche" sollen seit dem vergangenen Jahr bereits für das Militär fliegen. Und es wird Nachschub geben. Ein Fonds, der Finanzhilfe für die ukrainische Armee sammelt, verkündete weitere Geräte bestellt zu haben. Sein Leiter, Taras Tschmut, erklärte im ukrainischen Fernsehen:
Wir haben einen Vertrag für die Lieferung von 25 ukrainischen Drohnensysteme Leleka-100 unterzeichnet, in einem Wert von umgerechnet bis zu 4,5 Millionen Euro. Diese werden in den nächsten Monaten in der Ukraine hergestellt und höchstwahrscheinlich an 25 Einheiten der ukrainischen Streitkräfte ausgeliefert.
Auch Japan liefert Drohnen
Für die Ukraine stellt sich inzwischen eine internationale Drohnen-Flotte zusammen. Bereits im Einsatz sind zum Beispiel die US-amerikanischen Switchblade-Drohnen. Die USA wollen auch ein weiteres Modell - die Phoenix Ghost - in die Ukraine liefern. Sie soll sogar extra auf ukrainische Bedürfnisse angepasst werden. Auch Japan hat angekündigt, die Ukraine mit seinen Drohnen auszurüsten.
Russland scheint Drohnen deutlich weniger intensiv einzusetzen. Es lässt vor allem die Orlan in die Höhe steigen - eine Überwachungsdrohne der Eigenproduktion aus Sankt Petersburg. Sie fliegt bis zu 100 Kilometer weit und kann auch dafür genutzt werden, die Artillerieschüsse zu präzisieren.