Ukrainische Präsident Selenskyj "Schlacht von Donbass" hat begonnen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Beginn der russischen Offensive im Osten der Ukraine bestätigt. Damit wurde bereits seit Tagen gerechnet - den ganzen Tag über gab es bereits Kämpfe in der Region.
In der Ukraine haben die russischen Truppen nach Angaben aus Kiew mit dem erwarteten Großangriff im Osten begonnen. "Wir können jetzt sagen, dass die russischen Kräfte mit der Schlacht von Donbass begonnen haben, auf die sie sich lange vorbereitet haben", erklärt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Rede, die im Messengerdienst Telegram verbreitet wurde. "Ein sehr großer Teil der ganzen russischen Armee wird nun für diese Offensive verwendet", erklärte er.
Die Ukraine werde sich dem entgegenstellen. "Ganz gleich, wie viele russische Truppen dorthin getrieben werden: Wir werden kämpfen", versicherte Selenskyj. Man werde sich verteidigen und nichts aufgeben.
Keine Bestätigung aus Moskau
Der Generalstab der ukrainischen Armee berichtete zuvor von "Anzeichen des Beginns der Offensive", insbesondere in den Gebieten um die Großstädte Charkiw und Donezk. Mit einer Offensive im Osten wurde nach inzwischen mehr als sieben Wochen Krieg bereits seit Tagen gerechnet. Dafür hatten sich die russischen Truppen nach Moskaus Darstellung aus dem Großraum Kiew zurückgezogen. Von russischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
"Es ist die Hölle. Die Offensive, von der wir seit Wochen sprechen, hat begonnen", erklärte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj. Er berichtete, dass die Kontrolle über die Kleinstadt Kreminna bereits verloren gegangen sei. Es gebe Straßenkämpfe, eine Evakuierung sei nicht mehr möglich. "Jede Stunde verschlechtert sich die Situation." In Kreminna sollen von 18.000 Einwohnern vor dem Krieg noch etwa 4000 ausharren.
Auch in Mariupol - einer Stadt mit einst mehr als 400.000 Einwohnern - gingen die Kämpfe weiter. Der ukrainische Generalstab berichtete von Raketen- und Bombenangriffen. Dabei kämen auch Überschallbomber vom Typ Tu-22M3 zum Einsatz. Der Aufforderung zur Kapitulation folgten die Ukrainer nicht. Regierungschef Denys Schmyhal kündigte im US-Sender ABC einen Kampf "bis zum Ende" an. Außenminister Dmytro Kuleba warf Russland vor, Mariupol dem Erdboden gleichmachen zu wollen.
Weiter Sorge um Zivilisten in Mariupol
Für die von der russischen Armee eingeschlossene Hafenstadt forderte die Ukraine Russland auf, eine sichere Evakuierung von Zivilisten zuzulassen. Dies gelte vor allem für das Stahlwerk Asowstahl. "Gesondert fordern wir dringend einen humanitären Korridor vom Territorium des Kombinats Asowstahl für Frauen, Kinder und andere Zivilpersonen", schrieb Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk auf Russisch auf ihrem Telegram-Kanal. Sie drohte den Verantwortlichen bei einer Ablehnung mit einer Verurteilung wegen Kriegsverbrechen.
Tags zuvor hatten die russischen Streitkräfte nach eigenen Angaben für mehrere Stunden das Feuer um das Stahlwerk eingestellt und den verbliebenen Verteidigern angeboten, sich zu ergeben. Laut dem Polizeichef von Mariupol, Mychajlo Werschynin, befindet sich in den Bunkern der Fabrik weiterhin "eine große Zahl von Zivilisten". "Sie glauben den Russen nicht", sagte Werschynin.
Die südostukrainische Hafenstadt Mariupol wurde nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs am 1. März komplett von russischen Truppen eingeschlossen. Ukrainische Einheiten sollen nur noch Teile der Stadt um das Gelände des Stahlwerks Asowstahl kontrollieren. Kiew ist es nicht gelungen, Zivilisten aus Mariupol organisiert mit Bussen in sichere Gebiete zu bringen. In der stark zerstörten Stadt sollen noch rund 100.000 Menschen ausharren. In einem Brief wandte sich der Kommandeur der verbliebenen Marineinfanteristen, Serhij Wolyna, an Papst Franziskus mit der Bitte, bei der Evakuierung der verbliebenen Zivilisten zu helfen.
Angriffe auch im Westen
Ziel der Angriffe war aber auch der Westen der Ukraine. Bei dem Raketenangriff auf die 720.000- Einwohner-Stadt Lwiw gab es außer den Toten zahlreiche Verletzte, darunter nach Angaben des Bürgermeisters auch ein Kind. Berichtet wurde von vier oder fünf Einschlägen. Es sollen auch zivile Gebäude wie ein Reifenservice und ein Hotel getroffen worden sein. Die Altstadt von Lwiw ist Weltkulturerbe. Moskau bestätigte am Abend die Angriffe. Dabei sei auch ein Logistikzentrum mit Waffen aus dem Westen zerstört worden.