Ausbildung zur Minensucherin "Ukrainische Frauen können alles stemmen"
Russische Truppen haben in weiten Teilen der Ukraine Minen hinterlassen. Sie zu entfernen, wird Jahre dauern. Schon jetzt lassen sich Ukrainerinnen im Kosovo zu Minensucherinnen gegen die heimtückischen Todesfallen ausbilden.
Anastasia hatte andere Pläne. Bis zum Angriff Russlands auf die Ukraine wollte sie Lehrerin werden, Kinder unterrichten. Bis vor kurzem studierte sie Englisch. Stattdessen steht sie nun in blauem Schutzanzug und Helm auf einer Wiese im Kosovo, in der Hand einen Metalldetektor.
Anastasia ist eine von acht Ukrainerinnen, die sich im Kosovo als Minenräumerinnen ausbilden lassen. Die Leute, die für den staatlichen Minenräumdienst arbeiten, seien absolute Helden, sagt sie - "aber es sind nicht genug, um das ganze Gebiet abzudecken. Ukrainische Frauen für diese Aufgabe einzusetzen, war die beste Idee. Ukrainische Frauen können alles stemmen, absolut alles."
Minensuchen statt Studium: Anstasia hat eine neue Aufgabe für sich gefunden - auch um Kinder zu schützen.
Erfahrungen weitergeben
Das theoretische und praktische Training absolvieren die Frauen bei einem Unternehmen, das sich in der kosovarischen Stadt Peja auf Kampfmittelbeseitigung spezialisiert hat. Ausbilder Artur Tigani, einst Ingenieur bei der jugoslawischen Armee, hat einen reichen Erfahrungsschatz. Nach dem Kosovokrieg half er selbst bei der Beseitigung von Minen und Blindgängern.
Noch heute gibt es rund 40 Minenfelder im Kosovo - Relikte aus den Kriegsjahren Ende der 1990er-Jahre. Kosovaren kämpften 1998 gegen die jugoslawischen Truppen um die Kontrolle des Kosovo, ein Jahr später griffen auch NATO-Truppen ein.
Acht Frauen werden im Kosovo ausgebildet - das Erlernte erörtern sie mit ihrem Ausbilder Artur Tigani.
Augenzeugen und Hightech
Die Kampfmittel, die Russland heute in der Ukraine einsetze, seien die gleichen wie damals im Kosovo und auf dem gesamten Balkan, sagt Tigani. Er schult die Frauen darin, sich zuerst an Augenzeugen zu wenden, dann mit Spezialfernrohren nach verdächtigen Gegenständen zu suchen, den Fund auf Karten festzuhalten und die Minen schließlich unschädlich zu machen.
Ein gefährlicher Job, der einen immer wieder an die Grenze bringe, meint Anastasia. An diesem Tag war eine ihrer Aufgaben, tief im Wald nach Minen zu suchen - ein schwieriger Auftrag, sagt sie: "Wir haben eine verpasst, darüber habe ich mich sehr geärgert. Sie war für mich fast unmöglich zu sehen."
Die Sorge reist mit
Drei Wochen lang haben sie täglich geübt. Die Frauen hier wollen die Möglichkeit nutzen, ihrem Land zu helfen. Dass der Krieg in ihrer Heimat ihnen zusetzt, sieht man den Gesichtern an - darüber sprechen, fällt ihnen schwer.
Ihre größte Angst, erzählt Anastasia, sei, "dass ich Menschen, die ich liebe bei meiner Rückkehr nicht mehr sehe. Jeden einzelnen Tag wache ich auf und hoffe die Nachricht zu sehen, dass der Krieg zu Ende ist."
Die richtige Ausrüstung richtig anwenden - auch das kann Leben retten.
Eine Gefahr, die bleibt
Experten vermuten, dass nach Kriegsende auch in der Ukraine ein relevanter Teil des Landes vermint sein könnte. Die Anwendung von Streumunition nehme in jüngster Vergangenheit wieder zu, so das Auswärtige Amt.
Weltweit litten Menschen in rund 60 Ländern unter den explosiven Hinterlassenschaften vergangener oder noch akuter bewaffneter Konflikte. Laut der Organisation "Save the Children" sind mehr als 70 Prozent der Landminenopfer Zivilisten, mehr als die Hälfte davon Kinder.