Ukraine-Krieg Delegationen wollen weiter verhandeln
Während die russischen Truppen ihre Offensive in der Ukraine ausweiten, wollen Vertreter beider Länder heute weiterverhandeln. Der ukrainische Präsident Selenskyj drängt jedoch auf Gespräche auf oberster Ebene.
Russische und ukrainische Vertreter wollen heute weiter über eine mögliche Lösung für den Krieg gegen die Ukraine verhandeln. Die Gespräche sollen online in einer Videokonferenz geführt werden.
Nach Angaben aus Kiew ist der Beginn der Gespräche für 8.30 Uhr Mitteleuropäischer Zeit geplant. Zuletzt hatte es zumindest vorsichtige Anzeichen einer möglichen Annäherung gegeben. Ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sagte, die russische Seite verhandle inzwischen konstruktiver.
Selenskyj selbst hatte vor Verhandlungsbeginn darauf gedrängt, die Delegation seines Landes solle sich vor allem für direkte Gespräche zwischen ihm und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einsetzen. "Unsere Delegation hat eine klare Aufgabe - alles zu tun, um ein Treffen der Präsidenten zu ermöglichen", sagte Selenskyj in einer Videobotschaft. Aus dem Kreml hieß es als Reaktion, man werde ein solches Treffen nicht ablehnen, wenn es um "spezifische Fragen" gehe.
Forderung nach Schließung des Luftraums
Der Präsident rief den Westen erneut auf, den Luftraum über der Ukraine zu schließen. "Wenn Sie das nicht tun, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis russische Raketen auf Ihre Gebiete fallen", sagte er in einer Videoansprache. Die NATO lehnt eine Flugverbotszone ab, um nicht in einen direkten Konflikt mit Russland verwickelt zu werden. Die Ukraine gehe durch die schwerste Bewährungsprobe ihrer Geschichte, sagte Selenskyj.
Tote bei Angriffen in Kiew
Das russische Militär weitet seine Offensive in der Ukraine immer weiter aus. Nach Angaben des staatlichen Senders Ukrainian TV wurde in Kiew ein Mensch getötet und drei weitere verletzt. Ein Wohnhaus sei von einer Granate getroffen worden. Das Innenministerium sprach von zwei Toten und drei Verletzten, die in ein Krankenhaus gebracht wurden. Laut der Stadtverwaltung sollen russische Truppen auch das Antonow-Flugzeugwerk beschossen haben.
Nach Einschätzung des ukrainischen Generalstabs versuchten Russlands Truppen derzeit sich an bisher von ihnen eingenommenen Orten festzusetzen, Nachschub zu sichern und sich neu zu gruppieren. Der Generalstab rechnet zeitnah mit weiteren Angriffen unter anderem auf die Städte Charkiw, Sumy oder auch den Kiewer Vorort Browari, wie es in einer auf Facebook veröffentlichten Stellungnahme heißt.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Erstmals Luftangriff nahe polnischer Grenze
Am Sonntag hatte Russland erstmals auch Luftangriffe nahe der Grenze zu Polen geflogen. Ziel war ein Militärstützpunkt in der Nähe der Stadt Lwiw. Nach ukrainischen Angaben wurden mindestens 35 Personen getötet und 134 verletzt. Russland habe rund 30 Raketen auf den Stützpunkt in Jaworiw abgefeuert, teilte die regionale Militärverwaltung mit.
Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow teilte mit, der Angriff habe einem Ausbildungszentrum nahe der polnischen Grenze gegolten, in dem auch Blauhelmkräfte für Friedensmissionen geschult werden und in dem bis kurz vor dem Krieg NATO-Ausbilder arbeiteten. "Dies ist eine neue terroristische Attacke auf Frieden und Sicherheit in der Nähe der Grenze von EU und NATO", twitterte Resnikow.
Nach Angaben aus Moskau sollen zahlreiche ausländische Kämpfer getötet worden sein. Die russischen Streitkräfte hätten "bis zu 180 ausländische Söldner" sowie eine große Menge aus dem Ausland gelieferter Waffen "zerstört", teilte das Verteidigungsministerium in Moskau der Agentur Tass zufolge mit. "Die Vernichtung der auf das Territorium der Ukraine eingereisten ausländischen Söldner wird fortgesetzt", sagte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow.
Kiew weiter unter Beschuss
Auch die Gefechte rund um die ukrainische Hauptstadt Kiew gingen am Sonntag nach Angaben der ukrainischen Armee weiter. Es gab demnach heftige Kämpfe in Irpin und weiter weistlich in Makariw. Ähnlich sei die Lage auch in anderen Dörfern. Kiew bereitet sich auf eine mögliche vollständige Blockade vor. Es seien Vorräte mit Lebensmitteln angelegt worden, um zwei Millionen Kiewer zwei Wochen lang zu versorgen, sagte der stellvertretende Leiter der Stadtverwaltung, Walentyn Mondryjiwskyj.
Ukraine spricht von fast 2200 Todesopfern in Mariupol
Bei den Evakuierungen der umkämpften Gebiete der Ukraine konnten bislang mehr als 140.000 Zivilisten in Sicherheit gebracht werden, teilte die stellvertretende Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk in einem Interview im ukrainischen Fernsehen mit. Selenskyj hatte zuvor in einer Videobotschaft von fast 125.000 Zivilisten gesprochen.
Besonders dramatisch ist die Lage in der Hafenstadt Mariupol. Immer wieder waren hier Evakuierungsversuche gescheitert. Laut ukrainischen Angaben wurden bisher weit mehr als 2000 Zivilisten durch Angriffe auf die Stadt getötet. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar seien 2187 Menschen ums Leben gekommen, teilte der Stadtrat mit. Allein in den vergangenen 24 Stunden habe es 22 Luftangriffe auf die umkämpfte Stadt am Asowschen Meer gegeben, bei denen etwa 100 Bomben abgeworfen worden seien. Die Angreifer würden absichtlich Wohngebäude attackieren, sie zerstörten Kinderkrankenhäuser wie auch die Infrastruktur, hieß es.
Russland: Nur militärische Ziele attackiert
Russland hingegen beharrt darauf, lediglich militärische Ziele anzugreifen. Mariupol mit etwa 400.000 Einwohnern ist seit Tagen von russischen Einheiten umzingelt und vom Rest des Landes abgeschnitten. Nach ukrainischen Angaben sind Truppen der prorussischen Separatisten in östliche Randbezirke der Hafenstadt eingedrungen.
Nach Angaben des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Genf sind seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine mindestens 596 Zivilisten getötet und 1067 verletzt worden. 43 Todesopfer seien Kinder. Die tatsächlichen Opferzahlen könnten allerdings wesentlich höher sein.