Polens Außenminister in Kiew "Kriege werden durch Produktion gewonnen"
Die erste Auslandsreise des neuen polnischen Außenministers Sikorski hat ihn nach Kiew geführt. Er forderte mehr Rüstungsanstrengungen des Westens. Auch Streitthemen wie die polnischen Lkw-Blockaden wurden angesprochen.
Polen und die Ukraine haben sich zu ihrer engen Zusammenarbeit bekannt: Nach dem Regierungswechsel in Warschau führte die erste Auslandsreise von Außenminister Radoslaw Sikorski nach Kiew. Er sicherte dem bedrängten Nachbarstaat Unterstützung im Krieg gegen Russland zu.
"In diesem gewaltigen Kampf, Herr Minister, steht Polen auf Ihrer Seite", sagte Sikorski zu seinem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba. Während des Treffens ertönte Luftalarm als Warnung vor möglichen russischen Angriffen. "Ich glaube, dass dies der letzte Kolonialkrieg in Europa ist, und er muss wie folgt enden: Russland sollte verlieren und die Ukraine sollte gewinnen", machte Sikorski deutlich.
Sikorski fordert mehr Anstrengungen des Westens
Zudem forderte er weitere Anstrengungen der westlichen Länder. "Wenn der Westen mobilisiert, habe ich keinen Zweifel daran, wer gewinnen wird, aber er muss endlich anfangen zu mobilisieren", sagte Sikorski. Westliche Volkswirtschaften seien "20 Mal reicher als Russland" - aber Moskau habe "seine Wirtschaft auf Kriegsmodus umgestellt".
Die Ukraine-Unterstützer könnten nicht zulassen, dass Russland trotz kleinerer Wirtschaft mehr produziere. "Denn Kriege werden nicht durch taktische Schlachten gewonnen, Kriege werden durch Produktion gewonnen."
Gespräch über Lkw-Blockaden an der Grenze
Polen und die Ukraine sind enge Verbündete, auch wenn es unter der rechtsnationalen Vorgängerregierung vermehrt Spannungen zwischen Warschau und Kiew gegeben hatte. Zuletzt gab es Streit über ukrainische Getreideexporte sowie die Tätigkeit ukrainischer Transportunternehmen in Polen, was zu einer Blockade der Grenzübergange zwischen beiden Ländern durch polnische Lastwagenfahrer führte. Polnische Spediteure beklagen "unfairen Wettbewerb" durch ukrainische Unternehmen, nachdem die EU wegen des russischen Angriffskrieges eine Reihe von Auflagen für den Grenztransport ausgesetzt hatte.
Kuleba drückte seine Hoffnung auf ein Ende der "inakzeptablen" Blockade polnischer Transportunternehmen an der gemeinsamen Grenze aus. Der polnische Vize-Infrastrukturminister Pawel Gancarz sagte, dass Polen auf eine Lösung vor Weihnachten oder Jahresende hoffe.
Selenskyj deutet Rüstungskooperation an
Die beiden Regierungen sprachen offenbar auch über eine intensivere bilaterale Zusammenarbeit. "Wir haben sehr ernsthafte Möglichkeiten für weitere gemeinsame Arbeit erörtert", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. "Das gilt vor allem für die gemeinsame Rüstungsproduktion." Details nannte er nicht.
Der Krieg in der Ukraine ist ein Krieg der Artillerie - darum streben beide Seiten nach sicherer Munitionsversorgung.
Russland greift an mehreren Abschnitten an
An der Front hat nach Einschätzung vieler westlicher Militärexperten wieder Russland die Initiative übernommen. Angriffe werden vor allem aus den Räumen Kupiansk, Bachmut und Awdijiwka gemeldet. Russische Militärblogger berichten von kleineren Vorstößen und Geländegewinnen, die von den Experten des Institute for the study of war (ISW) geolokalisiert bestätigt werden.
Vor einigen Tagen hatte die ukrainische Armee einräumen müssen, dass die militärische Situation im Nordosten des Landes "kompliziert" sei. Die russischen Truppen seien in der Region um die Stadt Kupiansk bei Waffen und Personal "überlegen", erklärte Oleksandr Syrsky, der Kommandeur des ukrainischen Heeres, im Onlinedienst Telegram.
Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete
Drohnen greifen Odessa an
Gleichzeitig versucht Russland weiter, die Wirtschaft der Ukraine zu schwächen. Am Abend wurde die Hafenstadt Odessa von russischen Drohnen angegriffen. Mehrere Wellen von mit Sprengstoff gefüllten Flugkörpern seien über das Schwarze Meer geflogen, die Bewohner der Stadt und des Umlandes wurden aufgefordert, Schutzräume aufzusuchen.
Odessa ist als große Hafenstadt von entscheidender Bedeutung für ukrainische Exporte - zum Beispiel Getreide und Speiseöl. Trotz russischer Angriffe und Drohungen gegen die zivile Schifffahrt arbeitet der Hafen weiter.
Rumänien baut Donau aus
Etwa 60 Prozent des ukrainischen Weizenexports läuft derzeit über Rumänien. Aus den kleineren ukrainischen Donau-Häfen Reni und Ismajil steuern die Schiffe den rumänischen Schwarzmeer-Hafen Constanta an, indem sie zunächst auf der Donau und danach entweder über den Sulina-Arm oder durch den Kanal Cernavoda Richtung Meer fahren.
Der Sulina-Arm ist der mittlere Hauptarm der Donau in ihrem Delta an der Mündung ins Schwarze Meer. Von den drei Hauptarmen ist Sulina der geradlinigste, weil er schon seit mehr als 100 Jahren immer wieder ausgebaggert wird. Zur Verbesserung des Transits baute Rumänien den Sulina-Arm jüngst weiter aus. Er ist jetzt auch nachts schiffbar, teilte die Flussverwaltung der Unteren Donau mit. Es sei für beleuchtete Bojen im Wasser und an den Ufern gesorgt worden. Auch seien 18 zusätzliche Lotsen und ein modernes, digitales Navigationssystem zur Verfügung gestellt worden.