Verteidigungsminister Resnikow "Gebt uns die Werkzeuge, wir erledigen den Job"
Die Ukraine fordert Deutschland dazu auf, Lieferungen von Leopard-Panzern aus anderen Ländern zu genehmigen. Im Interview mit den tagesthemen sagt Verteidigungsminister Resnikow, die Ukraine könne dann "den Job erledigen".
Caren Miosga: Wir reisen gerade durch die Ukraine. Vor ungefähr drei Tagen kam eine ältere Frau auf mich zu und sagte: "Sind Sie Deutsche? Gebt uns Waffen oder verzieht Euch!" Ich denke, Sie würden sich diplomatischer ausdrücken, oder?
Resnikow: Sie wissen, dass wir Ukrainer unsere deutschen Freunde um mehr Waffen bitten. Wenn man einen Krieg im eigenen Land hat, hat man nie genug. Ich denke, das ist absolut verständlich und liegt in der Natur der Sache. Wir danken ihnen zum Beispiel für den Gepard-Panzer und bald das Luftabwehrsystem Iris oder das Artillerieradar Cobra.
Aber wir wissen ja, dass sie auch Leopard-Panzer haben - und zwar viele. Und dass unsere gemeinsamen Partner in verschiedenen Ländern auch Leopard-Panzer haben. Sie könnten ihnen die Erlaubnis erteilen, uns die Panzer zu geben. Darum bitten wir die Deutschen. Gebt uns die Werkzeuge und wir erledigen den Job.
Oleksij Resnikow ist ein ukrainischer Anwalt und Politiker. Seit November 2021 bekleidet er das Amt des Verteidigungsministers.
"Beziehung enger und freundschaftlicher als früher"
Miosga: Wie ist das Verhältnis zwischen unseren Ländern im Moment?
Resnikow: Sehr gut. Ich habe eine sehr freundschaftliche Beziehung zu meiner Kollegin, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Ich denke, die Beziehung ist enger und freundschaftlicher als früher, aber wir hätten gerne mehr als nur Freundschaft und Lippenbekenntnisse.
Wir hätten gerne mehr echte Waffen, wie zum Beispiel den MARS-II-Raketenwerfer. Wir haben drei Stück, die sind sehr gut und leisten tolle Dienste, aber wenn wir zwölf hätten, wäre es noch besser.
Der Mehrfachraketenwerfer Mars 2 - eines der Waffensysteme, von denen die Ukraine gerne mehr hätte.
"Ihre Gesellschaft ist süchtig nach russischem Gas"
Miosga: In Deutschland sind die Menschen mehr und mehr besorgt wegen der Gaspreise und der Lebenshaltungskosten. Können Sie nachvollziehen, dass die Menschen sich mehr Sorgen um ihr eigenes Leben machen und immer kriegsmüder werden?
Resnikow: Ich kann das voll und ganz nachvollziehen. Ich bin der Sohn einer Ärztin und ich war einmal Rechtsanwalt. Deswegen weiß ich, was Sucht bedeutet. Genauso wie bei einer Drogensucht gibt es auch eine Gasabhängigkeit von den Russen. Ihre Gesellschaft ist süchtig nach russischem Gas. Ihr braucht Medizin. Eure Medizin ist Unabhängigkeit und Freiheit.
Miosga: Wie wollen Sie die Aufmerksamkeit für die Ukraine aufrechterhalten? Die Unterstützung scheint nachzulassen.
Resnikow: Durch Gespräche, mehr Kommunikation, so wie wir es gerade tun.
"Schwierig, mit Terroristen zu verhandeln"
Miosga: Präsident Erdogan bietet an, direkte Verhandlungen zwischen Putin und Selenskyj anzustoßen. Ist Ihr Präsident dazu bereit?
Resnikow: Mein Präsident sagte während der Pressekonferenz sehr klar und deutlich: Zu diesem Zeitpunkt sehen wir keinen Grund, an einem Tisch mit den Russen zu sitzen, weil sie zunächst aus unserem Territorium abziehen müssen und mindestens zum Status des 24. Februar dieses Jahres zurückkehren müssen.
Sie müssen damit aufhören, die Kriegsgefangenen von Mariupol zu demütigen. Und vieles Weitere: Sie müssen zum Beispiel damit aufhören, zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser in Charkiw, Odessa, Mykolajiw mit Marschflugkörpern und ballistischen Raketen zu beschießen und zu bombardieren. Es ist ein Terroristenland. Mit Terroristen zu verhandeln, ist ein sehr schwieriges und hartes Unterfangen.
Verhandlungen - "im Moment kein Traum der Ukraine"
Miosga: Wenn das komplette Zurückdrängen der Russen von ukrainischem Boden die Voraussetzung für Verhandlungen bleibt, erreicht man vielleicht nie eine diplomatische Lösung.
Resnikow: Lassen Sie mich offen sprechen: Das Ziel von Verhandlungen ist ein Traum unserer Partner. Im Moment ist das kein Traum der Ukraine. Der Traum der Ukraine, unser Wunsch und unser Plan ist es, sämtliche vorübergehend besetzte Gebiete in der Ukraine zu befreien und zum Status des Jahres 1991 zurückzukehren.
Ein halbes Jahr nach Russlands Angriff auf die Ukraine: Wie leben die Menschen im Krieg und mit seinen Folgen? tagesthemen-Moderatorin Caren Miosga ist mit WDR-Reporter Vassili Golod eine Woche durch das Land gereist und hat mit Ukrainerinnen und Ukrainern über Leben und Überleben im Krieg gesprochen. Die Reise endete am 24. August - dem Unabhängigkeitstag der Ukraine und dem Tag, an dem vor sechs Monaten die russische Invasion begann. Zu diesem Anlass wurden die tagesthemen live aus Kiew gesendet, moderiert von Caren Miosga.