Russlands Krieg in der Ukraine Neuer Schwerpunkt Donbass?
Russlands Vormarsch in der Ukraine stockt, doch in Moskau bemüht man sich um eine positive Lesart: Das Hauptziel der ersten Phase sei erreicht. Nun wolle man sich auf die "Befreiung" des Donbass konzentrieren.
Im Ukraine-Krieg zeichnet sich ein Strategiewechsel der russischen Armee ab. Künftig werde sich die Armee auf die "Befreiung" der Donbass-Region im Osten des Landes konzentrieren, sagte Russlands Vize-Generalstabschef Sergej Rudskoj. 93 Prozent des Regierungsbezirks Luhansk und 54 Prozent des Bezirks Donezk seien unter Kontrolle, teilte das Verteidigungsministerium mit. Damit sei das "Hauptziel der ersten Phase der Operation" erfüllt.
Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, die ukrainischen Kräfte seien so weit geschwächt, dass man nun beginnen könne, den Großteil der Anstrengungen auf den Donbass zu richten.
Die russische Regierung hatte den Angriffskrieg gegen die Ukraine stets als "militärische Sonderoperation" bezeichnet. Zuvor hatten die Staatsduma und Präsident Wladimir Putin die beiden ukrainischen Bezirke Luhansk und Donezk, die im Gebiet des Donbass liegen, als unabhängige "Volksrepubliken" anerkannt. Separatisten in den Gebieten hatten Russland daraufhin um militärische Unterstützung gebeten.
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
Geländegewinne im Süden und Osten
Seit Kriegsbeginn konnten russische Truppen im Süden und im Osten der Ukraine Geländegewinne erzielen. In anderen Landesteilen, insbesondere rund um die Hauptstadt Kiew, wurden sie aber stellenweise zurückgedrängt.
Britischen Angaben zufolge konnten die ukrainischen Truppen zuletzt Verteidigungsstellungen bis zu 35 Kilometer östlich von Kiew zurückerobern. Den russischen Truppen fehlt es nach ukrainischen Angaben an Treibstoff, Verpflegung und Munition. Die Kleinstadt Slawutytsch im Norden von Kiew soll jedoch von russischen Truppen eingekesselt worden sein.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
1351 russische Soldaten getötet
US-Regierungsvertreter zitierten Geheimdienstinformationen, wonach Russland massive Probleme mit den eigenen präzisionsgelenkten Raketen habe. Diese hätten Ausfallquoten von bis zu 60 Prozent.
Nach russischen Angaben sind bisher 1351 russische Soldaten in dem Krieg ums Leben gekommen und 3825 verletzt worden. Sicherheitskreise westlicher Staaten schätzen die Zahlen deutlich höher. Demnach sollen mehr als zehntausend russische Soldaten getötet worden sein. Die Angaben lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Politisches Büro in Mariupol eröffnet
In der Hafenstadt Mariupol soll die russische Regierungspartei Geeintes Russland nach ukrainischen Angaben ein politisches Büro in einem Außenbezirk eröffnet haben. Die Stadtverwaltung der von Russland belagerten Stadt teilte über ihren Telegram-Kanal mit, das Büro befinde sich in einem Einkaufszentrum und die Partei verteile dort Werbung und Telefonkarten.
Die Karten seien in den prorussischen Separatistengebieten nutzbar. In Mariupol gibt es durch die Belagerung kaum noch Kommunikationsmöglichkeiten. Russische Truppen hatten gezielt Mobilfunk-, Fernseh- und Radiotürme angegriffen.
UN: Amtsträger festgenommen oder verschleppt
Die Vereinten Nationen erheben weitere Vorwürfe gegen Russland: Seit dem Beginn des Krieges seien Dutzende Fälle dokumentiert worden, in denen Amtsträger, Journalisten und Aktivisten von russischen Soldaten festgenommen oder verschleppt wurden, teilte UN-Menschenrechtsbeobachterin Matilda Bogner mit.
22 ukrainische Behördenvertreter seien festgenommen worden oder verschwunden, 13 von ihnen wurden später wieder freigelassen. "Dies scheint in einigen Fällen eine Form der Geiselnahme zu sein", sagte Bogner. 15 Journalisten und Aktivisten seien zudem festgenommen worden. Acht von ihnen sind inzwischen wieder frei.