Sturzfluten in Spanien Fast 100 Tote und noch viele Vermisste
Bei Überschwemmungen in Spanien sind mindestens 95 Menschen gestorben. Während das Aufräumen beginnt, warnen Wissenschaftler, dass solche Unwetter sich wiederholen werden. Schuld ist der Klimawandel.
Zwar hatte der spanische Wetterdienst seit Montag vor starken Wolkenbrüchen in der Provinz Valencia gewarnt. Aber der Montag selbst verlief glimpflich und die Menschen arbeiteten wie gewohnt weiter. So erwischte das Unwetter viele auf dem Heimweg von der Arbeit. Eine Frau sagte im spanischen Fernsehen: "Ich blieb zwischen einem Lieferwagen und einem anderen Auto stecken. Das Wasser stand schon im Auto."
Sie sei über das Fenster aus dem Auto raus aufs Dach geklettert. "Das Wasser stieg aber immer weiter. Von einem Gebäude rief mir jemand zu, ich solle auf den Lieferwagen dahinter klettern. Dort war ich von 19.30 Uhr bis 1.30 Uhr. Zu Hause haben wir alles verloren. Aber gut, ich lebe noch."
Hilferufe über Social Media
Menschen, die auf Bäume oder Dächer geflüchtet waren, verbreiteten mit ihren Handys Hilferufe über die Sozialen Medien. Später fielen die Mobilfunknetze aus, die Vermissten konnten nicht mehr erreicht werden. Angehörige alarmierten die Medien. "Mein Sohn teilte mir per Kurznachricht mit, dass es stark regnen würde", berichtet ein Mann. "Später dann, dass das Wasser in seine Fahrerkabine eindringt. Mehr weiß ich nicht von ihm."
Eine Anwohnerin blickt von ihrem Balkon aus auf die beschädigten Autos, die sich in der vom Hochwasser betroffenen Gemeinde Paiporta in der Provinz Valencia stapeln.
Sánchez: "Ganz Spanien weint mit euch"
Mehr als 95 Menschen sind nach Behördenangaben in Folge der Regenfälle gestorben, und die Rettungskräfte haben längst noch nicht alle Vermissten gefunden - obwohl die Bergungsteams inzwischen auch Verstärkung aus anderen Regionen und vom spanischen Militär erhalten haben. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez hat nach der Rückkehr von einer Reise nach Indien eine Erklärung abgegeben:
Ganz Spanien weint mit euch. Die Hilfe für euch hat jetzt absolute Priorität. Wir wissen, dass die Ungewissheit jetzt enorm ist, wenn man alles verloren hat. Wir werden euch helfen. Mit allen Mitteln des Staates und wenn es sein muss, mit Hilfe der Europäischen Union.
Klimawandel verstärkt bekanntes Phänomen
Weil so viele Pendler betroffen sind, fordern Politiker, künftig sollte bei Alarmstufe Rot gar nicht mehr gearbeitet werden. Denn Unwetter wie dieses werden sich wiederholen, sagt die Physikerin Mar Gómez vom Wetterdienst eltiempo.es: "Wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen schon lange davor, dass solche Wetterereignisse immer extremer werden - wegen der Erderwärmung."
Leider sähen viele den Klimawandel immer noch als etwas, was weit entfernt ist. "Aber er geschieht heute und wir sind die Augenzeugen." Im Grunde seien solche Wolkenbrüche gerade an der Küste der Provinz Valencias lange bekannt, erklärt die Physikerin. Kalte Meeresluft aus dem Norden ströme dabei über das spanische Festland bis zur Mittelmeerküste. Dort steige warme Luft vom im Sommer aufgeheizten Mittelmeer in die Höhe. Wenn die kalte und warme Luft aufeinander treffen, komme es seit Jahrzehnten zu lokalen Wolkenbrüchen.
In den vergangenen Jahren würden diese Unwetter aber immer heftiger, so auch jetzt. "Das Mittelmeer ist jetzt sehr viel wärmer als normal. Das heißt, wir haben viel mehr Feuchtigkeit -sie ist die Nahrung für diese Unwetter", sagt Gómez. In den vergangenen 40 Jahren sei das Mittelmeer um eineinhalb Grad wärmer geworden. "Die Temperatur des Wassers dort steigt um 20 Prozent schneller als im Rest des Planeten. Sie ist grundlegend für dieses Phänomen."
Wissenschaftlerin fordert Rückbau in betroffenen Gebieten
In diesem Sommer wurde das Mittelmeer vor der spanischen Küste teilweise bis zu 30 Grad heiß. Spanien ist nicht untätig im Kampf gegen den Klimawandel. Längst sind Sonne und Wind die wichtigsten Stromlieferanten. Aber das werde sich nicht kurzfristig aufs Klima auswirken, sagt Physikerin Gómez und fordert weitere Maßnahmen. Es sollte künftig keine Industrie- oder Wohngebiete mehr in trockenen Flussbetten geben.
"Wir müssen vieles ändern. In vielen Gegenden fehlt es an der richtigen Planung", betont die Wissenschaftlerin. "An Orten, die jetzt so stark von den Überschwemmungen betroffen sind, muss auch zurückgebaut werden. Das ist nun nicht mein Spezialgebiet, aber da braucht es Investitionen."
Für die Provinz Valencia gibt der staatliche Wetterdienst jetzt zunächst Entwarnung. Dafür warnt er jetzt vor heftigen Unwettern in Barcelona.