#Sofagate in Ankara Zwei Stühle und ein "Ähm"
Während der türkische Präsident Erdogan EU-Ratspräsident Michel einen Stuhl hinstellte, musste Kommissionschefin von der Leyen auf dem Sofa sitzen. Nun beschäftigt das #Sofagate protokollarische Kreise.
Gesprächsthemen zwischen der EU und der Türkei gab es wahrlich genug: Wie weiter mit dem Flüchtlingsabkommen? Wie steht es um Zollunion und Visa-Erleichterungen? Was ist mit den Gasbohrungen im Mittelmeer? Und der Einhaltung der Menschenrechte?
Gesprächsstoff bietet indessen: die Sitzordnung bei dem Treffen, die in Diplomatenkreisen, bei Abgeordneten und in den sozialen Medien für Irritationen und Kritik sorgt.
Denn während für EU-Ratspräsident Charles Michel ein großer Stuhl neben dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan reserviert war, bekam EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei dem Gespräch gestern einen Platz auf einem Sofa in einiger Entfernung von Erdogan und Michel zugewiesen. Das #Sofagate macht seither im Netz die Runde.
Klare Botschaft: Es handelt sich hier um ein Treffen unter Männern. Der ersten EU-Kommissionspräsidentin kann es nicht gefallen haben, dass sie derart abgekanzelt wurde. Beide - von der Leyen und Michel - gelten als besonders ehrgeizig und sehr auf eigene Auftritte bedacht.
Mit einem lauten und ungläubigen "Ähm" tat von der Leyen beim Betreten des Raumes entsprechend ihr Missfallen kund, als ihre beiden Gesprächspartner sich wie selbstverständlich setzen. Schmallippig saß sie schließlich dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu gegenüber, der ebenfalls an dem Gespräch teilnahm.
Verärgerung über Michels Mitspielen
Von türkischer Seite heißt es zu dem Vorfall allgemein, es habe von der EU-Delegation keine Einwände zum Ablauf gegeben. Diplomaten bestätigen das - allerdings habe man sich nicht über die konkrete Sitzordnung ausgetauscht.
Vom machtbewussten Hausherrn Erdogan war wohl kaum etwas anders zu erwarten. Hohn und Spott gibt es daher jetzt vor allen Dingen für Michel. Der ehemalige österreichische Kanzler Christian Kern etwa twitterte: "Von Erdogan darf man nichts anderes erwarten, aber dass sich der EU-Ratspräsident zu einer Witzfigur degradiert, ist bitter."
Auch in anderen europäischen Mitgliedsstaaten blieb der Vorfall nicht unbemerkt. Die italienische Zeitung "La Repubblica" prangert den "Protokollarischen Machismo" Erdogans an: Die Couch abseits sei vorbereitet, der weibliche Gast schlecht behandelt worden.
Vergleichsfotos zeigen drei Männer nebeneinander
Dass diese Sitzordnung mit nur zwei Stühlen im diplomatischen Protokoll keineswegs so vorgegeben ist, zeigen Vergleichsfotos, die nun überall in den sozialen Medien kursieren. Darauf zu sehen: Erdogan Seite an Seite mit den beiden ehemaligen EU-Spitzen Donald Tusk und Jean-Claude Juncker, die auf drei Stühlen beisammensitzen.
An einem Mangel an Sitzgelegenheiten wird es wohl nicht gelegen haben. Auch Corona-Abstandsregeln werden ins Feld geführt, werden aber auch nur als Feigenblatt wahrgenommen.
"Nein, das ist kein Zufall, das war Absicht!", twittert daher die EU-Abgeordnete Sophie in 't Veld. Der Abgeordnete Sergey Lagodinsky schreibt, "Ähm" sei nun die neue Formulierung, dafür, wie das Verhältnis zwischen EU und der Türkei nicht sein sollte.
Erinnerung an Putins Machtspiele mit Merkel
Machtspiele, mit denen weibliche Staats- und Regierungschefs gedemütigt werden sollen, gibt es immer wieder: Im Jahr 2007 etwa brachte der russische Präsident Wladimir Putin zu einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel absichtlich seinen großen Hund Koney mit, obwohl er wusste, dass Merkel seit einem Hundebiss großen Respekt vor den Vierbeinern hat.
Wie Merkel damals versuchte auch von der Leyen in Ankara die Ruhe zu wahren und zu überspielen, was sie davon hielt, nicht als vollwertiges Mitglied der Gespächsrunde gewürdigt zu werden. Bei der anschließenden Pressekonferenz fand sie deutliche Worte zum Thema Gleichbehandlung: Der jüngste Rückzug Ankaras aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen gegen Gewalt etwa sei nicht das richtige Signal gewesen.
Und vom Sprecher der EU-Kommission gab es heute in der täglichen Pressekonferenz die Auskunft: Man sei enttäuscht und erwarte, dass alle Präsidentinnen und Präsidenten gleich behandelt würden. Deshalb habe man zu den betroffenen Protokollstellen in der Türkei, aber vor allem mit Ratspräsident Michel Kontakt aufgenommen, um derartige Zwischenfälle künftig zu vermeiden.
Was also bleibt von dem Gespräch der drei in Ankara: die Diskussion über die Sitzordnung.