Wahl in Frankreich Partei von Le Pen in erster Runde vorne
Frankreichs Präsident Macron hatte gehofft, mit vorgezogenen Neuwahlen die Stimmung im Land zu drehen. Doch seine Rechnung ging nicht auf. Die Rechtsnationalen um Le Pen liegen nach der ersten Runde klar vorne.
In der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahl in Frankreich liegt das rechtsnationale Rassemblement National (RN) ersten Hochrechnungen zufolge vorne. Es kam gemeinsam mit seinen Verbündeten auf 33 bis 34,2 Prozent, wie die Sender TF1 und France 2 nach Schließung der Wahllokale berichteten.
Das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron landete demnach mit 20,7 bis 22 Prozent auf Platz drei hinter dem Linksbündnis Nouveau Front Populaire mit 28,1 bis 29,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag den Instituten zufolge bei 65,8 bis 67 Prozent.
RN verfehlt wohl absolute Mehrheit
Erste Prognosen gehen davon aus, dass Le Pens Rechtspopulisten und ihre Verbündeten im Unterhaus mit 230 bis 280 Sitzen stärkste Kraft werden könnten. Die absolute Mehrheit mit 289 Sitzen könnten sie aber verfehlen. Auch die Linken könnten zulegen und auf 125 bis 200 Sitze kommen. Macrons Liberalen droht, auf nur noch 60 bis 100 Sitze abzusacken.
Genaue Aussagen zur Sitzverteilung sind bisher aber schwierig, denn die wenigsten Sitze werden in der ersten Runde vergeben. Entscheidend sind in den meisten Wahlkreisen die Stichwahlen am 7. Juli.
Viele Stichwahlen mit drei Kandidaten
Um im ersten Wahlgang gewählt zu werden, muss ein Kandidat die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreichen. Dies muss zugleich mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten entsprechen. Das führt dazu, dass bei einer geringen Wahlbeteiligung auch Kandidaten mit mehr als 50 Prozent in der ersten Runde noch in die zweite Runde müssen. Um in die zweite Runde zu kommen, müssen Kandidaten die Stimmen von mindestens 12,5 Prozent der eingeschriebenen Wähler erhalten. Daher kann es auch zu Dreierkonstellationen in der zweiten Runde kommen. Dort reicht dann eine einfache Mehrheit.
Nach Zahlen des Ipsos-Instituts in Paris stehen zwischen 65 und 85 Abgeordnete bereits fest. In der zweiten Runde werde es zwischen 285 und 315 Dreierkonstellationen geben, nur in 150 bis 170 Wahlkreisen zeichnen sich Stichwahlen zwischen zwei Kandidaten ab. RN kommt demnach in 390 bis 430 Wahlkreisen in die zweite Runde. Das links-grüne Wahlbündnis könnte in 370 bis 410 Wahlkreisen in die zweite Runde kommen, das Regierungslager in 290 bis 330 Wahlkreisen.
Erste Bündnisse für den zweiten Wahlgang in Sicht
Die Verteilung der Sitze wird stark davon abhängen, ob die Parteien noch lokale Bündnisse eingehen und Kandidaten zurückziehen, um etwa einen RN-Sieg zu verhindern. Frankreichs Premierminister Gabriel Attal kündigte bereits den Rückzug von etwa 60 Kandidaten des Regierungslagers an, um so den Sieg rechtspopulistischer Kandidaten zu verhindern. "Keine Stimme darf an den Rassemblement National gehen", betonte er.
Der führende Sozialdemokrat Raphaël Glucksmann forderte ebenfalls zu einem entschiedenen Kampf gegen die Rechtsnationalen auf: "Das einzige Ziel der Woche ist es zu blockieren, um eine absolute Mehrheit des Rassemblement National zu verhindern." Der Gründer der französischen Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon rief die linken Kandidaten in den Wahlkreisen, in denen das Linksbündnis auf Platz drei und die Rechten auf Platz eins in die Stichwahlen gingen zu einem Rückzug auf.
Die bürgerlichen Republikaner, die auf knapp zehn Prozent der Stimmen kommen, wollen hingegen keine Wahlempfehlung abgeben. Ihr umstrittener Vorsitzender Éric Ciotti rief jedoch dazu auf, sich seinem viel kritisierten Schulterschluss mit dem RN anzuschließen.
Herbe Niederlage für Macron
Für Macron ist das Ergebnis eine herbe Niederlage. Er hatte nach dem Wahltriumph des RN bei der Europawahl am 9. Juni die Nationalversammlung aufgelöst und Neuwahlen ausgerufen und darauf gesetzt, so die relative Mehrheit seiner Mitte-Kräfte im Unterhaus auszubauen. Seine Hoffnung, die Franzosen würden bei einer nationalen Wahl anders abstimmen als bei dem EU-weiten Urnengang, scheint sich nun allerdings nicht zu bestätigen.
Um das Präsidentenamt geht es bei der vorgezogenen Neuwahl zwar nicht, Macron ist bis 2027 gewählt. Im Fall einer absoluten Mehrheit der Rechtspopulisten im Parlament könnte er gezwungen sein, deren Parteichef Jordan Bardella zum Regierungschef zu machen. Dies wiederum könnte der früheren RN-Parteichefin Le Pen den Weg eben, 2027 Präsidentin zu werden.
Frankreich droht Stillstand
Der RN erhebt für sich den Anspruch, die neue Regierung zu bilden. Allerdings will er das nur mit der absoluten Mehrheit der Sitze tun. Sollte keines der Lager eine absolute Mehrheit erlangen, stünde Frankreich vor zähen Verhandlungen um eine Koalition. Ein Zusammenkommen der grundverschiedenen politischen Akteure für ein Regierungsbündnis nach der Wahl ist derzeit nicht absehbar.
Ohne klare Mehrheit in der Nationalversammlung würde Frankreich Stillstand drohen. Möglich ist, dass die aktuelle Regierung als eine Art Übergangsregierung im Amt bleibt oder eine Expertenregierung eingesetzt wird - neue Vorhaben könnte eine Regierung jedoch kaum auf den Weg bringen. Statt neuen Initiativen stünde in Frankreich Verwaltung an der Tagesordnung.
Für Deutschland und Europa hieße das, dass Paris als wichtiger Akteur in Europa und Teil des deutsch-französischen Tandems plötzlich nicht mehr tatkräftig zur Verfügung stehen würde. Eine erneute Auflösung des Parlaments durch Macron und Neuwahlen sind erst im Juli 2025 wieder möglich.
Macron ruft zu breitem Bündnis auf
Macron rief angesichts des Wahlsiegs der Rechtspopulisten zu einem breiten Bündnis auf. "Angesichts des Rassemblement National ist es nötig, ein breites, demokratisches und republikanisches Bündnis für die zweite Wahlrunde zu bilden", erklärte Macron nach Angaben des Elysée-Palastes. Die hohe Wahlbeteiligung in der ersten Runde zeuge von der "Bedeutung dieser Wahl für alle unsere Landsleute und von dem Willen, die politische Situation zu klären", betonte der Präsident. "Ihre demokratische Wahl verpflichtet uns."
Le Pen hingegen begrüßte den Wahlausgang. Der Block von Macron sei "praktisch ausgelöscht", sagte sie. Die Franzosen hätten "ihren Willen gezeigt, die Seite von sieben Jahren verachtender und zersetzender Macht" Macrons umzuschlagen, sagte Le Pen, die in ihrem Wahlkreis im Norden bereits im ersten Wahlgang gewählt wurde. Sie rief die Franzosen außerdem dazu auf, dem RN im zweiten Wahlgang "die absolute Mehrheit" für ihre Partei zu geben.
Die Nationalversammlung ist eine von zwei französischen Parlamentskammern. Sie ist an der Gesetzgebung beteiligt und kann per Misstrauensvotum die Regierung stürzen. Die zweite Parlamentskammer ist der Senat. Dieser ist derzeit konservativ geprägt.