Brüssel-Straßburg und zurück Das pendelnde Parlament
Alle vier Wochen reisen Mitarbeiter und Abgeordnete des Europaparlaments von Brüssel nach Straßburg. Das ist teuer, zeitaufwendig und schwer zu erklären. Doch ändern wird sich daran kaum etwas.
Ein Montagmorgen am Bahnhof Brüssel-Midi. Langsam fährt ein roter Sonderzug ein. Vor allem Mitarbeiter von EU-Abgeordneten, aus den Fraktionen und der Verwaltung des Europaparlaments stehen am Bahnsteig. Ihr Ziel: das mehr als 400 Kilometer entfernte Straßburg, wo bis Donnerstag das Parlament tagt. Auch Pia Kohorst, Sprecherin der Grünen fährt mit dem Zug.
Von Brüssel nach Straßburg pendeln wir ungefähr im Schnitt alle vier Wochen. Vorher packen alle Leute alles zusammen, was sie irgendwie in Straßburg brauchen. Es gibt ja sowohl in Brüssel Büros als auch in Straßburg. Aber alle Unterlagen, die man braucht, packen wir in große Kisten und dann wird das per LKW von Brüssel nach Straßburg gefahren.
Die Plenarsitzungen des Europaparlaments finden meist in Straßburg statt.
Ein Parlament mit drei Standorten
Viele der 751 Europaabgeordneten fahren nicht aus Brüssel, sondern direkt aus ihren Wahlkreisen nach Straßburg. Hier traf sich schon die gemeinsame Versammlung der 1952 gegründeten Montanunion - eine Vorläuferin des heutigen Parlaments.
Anfang der 1990er-Jahre wurde dann offiziell festgeschrieben, dass die Plenartagungen in Straßburg stattfinden. Sitzungen etwa der Ausschüsse und Fraktionen hingegen sind in Brüssel, wo die Abgeordneten sowieso die meiste Zeit verbringen. Dazu kommt noch ein dritter Standort: In Luxemburg befindet sich die Parlamentsverwaltung.
Die Kritik: Der Umzug sei unnötig teuer
Dieses ewige Hin und Her, vor allem zwischen Brüssel und Straßburg, kritisierten immer mehr Abgeordnete, sagt Sven Giegold von den Grünen. Während der Zeit in Straßburg sei das Europaparlament nicht mehr an dem Ort, an dem auch Kommission und Rat seien, bemängelt er. "Wir sind hier ein bisschen in der Pampa, politisch gesehen." Und das koste unnötig Geld, so Giegold.
Laut einer Studie des Europäischen Rechnungshofs von 2014 kosten der Sitz in Straßburg und die Reiserei mehr als 110 Millionen Euro pro Jahr. Kritiker monieren auch, dass der Wanderzirkus die Umwelt belaste und zeitaufwendig sei.
Straßburg als Stärkung des Europaparlaments
Für nur einen Sitz des Europaparlamentes plädiert auch Andreas Schwab. Er ist Europaabgeordneter der CDU, sein Wahlkreis liegt direkt an der deutsch-französischen Grenze. Allerdings macht er sich, anders als viele andere, für Straßburg stark:
Ich glaube, dass wir als Parlament in Straßburg deutlich mehr zu sagen haben gegenüber Kommission und Rat, als wenn wir uns in Brüssel zum Anhängsel der Kommission machen. Und deswegen wäre aus meiner Sicht Straßburg der bessere Standort.
Natürlich sei es immer schwierig, so eine Tradition zurückzudrehen, sagt Schwab. Dennoch sei ein Standort den Bürgern einfacher zu erklären.
Das Bahnhofsgebäude in Straßburg. Einige Europapolitiker plädieren für den Sitz des Europaparlaments in der französischen Stadt.
Ende der Pendelei vorerst nicht in Sicht
Doch für nur einen Standort müssten die Mitgliedstaaten die Verträge einstimmig ändern. Und das ist vor allem mit Frankreich nicht zu machen. Als die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer vor Kurzem Straßburg als Parlamentssitz in Frage stellte, antwortete Nathalie Loiseau, zu dem Zeitpunkt französische Europaministerin, deutlich: "Es steht nicht zur Debatte, den Parlamentssitz in Straßburg aufzuheben." Es sei die Hauptstadt der Demokratie und der Menschenrechte in Europa.
Giegold, der eigentlich für den Standort Brüssel ist, gesteht Frankreich zu: Wenn das Land auf der einen Seite auf etwas verzichten solle, müsse man ihm auf der anderen Seite etwas bieten. "Zum Beispiel wenn wir irgendwann mal Weltklasse-Universitäten europäisch organisieren. Eine solche Universität in Frankreich anzusiedeln, das könnte Frankreich interessieren", sagte Giegold.
Solange es aber gegensätzliche Meinungen gibt, geht das Pendeln zwölf Mal im Jahr zwischen Brüssel und Straßburg weiter.