Ausblick auf neue EU-Ratspräsidentschaft Slowenien: Musterland mit Oberkrainer-Sound
Es ist kaum größer als Hessen, gerade einmal zwei Millionen Menschen leben dort. Und immer wieder wird Slowenien mit der Slowakei verwechselt. In den kommenden sechs Monaten aber wird das Land oft im Mittelpunkt stehen, denn ab Januar übernimmt Slowenien die EU-Ratspräsidentschaft.
Von Jörg Paas, ARD-Hörfunkstudio Wien/Südosteuropa
Nett und gemütlich, alpenländisch, korrekt und ein bisschen langweilig - so werden die Slowenen oft von ihren Nachbarn beschrieben. Erfolgreichstes Exportprodukt nach Deutschland ist seit Jahrzehnten die Musik - der folkloristische, mit Jazzelementen versetzte Oberkrainer Sound. "Der Vater von dieser Musik war Slavko Avsenik von den Original Oberkrainern", erklärt ein Slowene. "Diese Musik ist in den 50er, 60er Jahren im deutschen Raum sehr populär geworden, weil das eine Musik ist, die von Herzen kommt, und sie kommt aus dem Volk zum Volk, sagen wir.“
Das Volk umfasst gerade mal zwei Millionen Menschen. Slowenien ist kaum größer als Hessen, liegt zwischen Italien, Österreich und Kroatien - und wird noch immer gerne verwechselt. "Wir möchten, dass die Leute wissen: Wir sind Slowenen", sagt die Studentin Minka. "Wir sind nicht aus der Slowakei.“
Deshalb ganz klar zur Unterscheidung: Die Hauptstadt von Slowenien heißt nicht Bratislava, sondern Ljubljana oder - wie die Österreicher immer noch sagen - Laibach. Minka arbeitet dort als Reiseführerin. Geduldig erklärt sie Touristen die wechselvolle Geschichte: "Die Slowenen haben einen sehr starken Willen. In den letzten hundert Jahren haben wir zum Beispiel dreimal das System geändert. Vom Kapitalismus in der Habsburger Monarchie zum Kommunismus und jetzt wieder zum Kapitalismus. Alle dreimal haben wir überlebt.“
Schnell erholt nach der Unabhängigkeit
Und das gar nicht mal schlecht. Im ehemaligen Jugoslawien hatten die Slowenen mit Abstand den höchsten Lebensstandard. Die Loslösung vom Vielvölkerstaat vor 16 Jahren bedeutete zwar wirtschaftlich gesehen einen tiefen Einschnitt, aber auch davon hat sich das Land relativ schnell erholt. "1991 haben wir 70 Prozent der Märkte in Jugoslawien verloren. Und in den ersten vier Jahren mussten wir uns nur mit Wirtschaft beschäftigen", berichtet Minka. "Heute sehen die Stadt Ljubljana und auch Slowenien mehr aus wie Westeuropa, nicht wie Osteuropa.“
Im Herzen der Hauptstadt führen die berühmten drei Brücken über den Fluss Ljublanica. Im Sommer laden hier viele Cafés zum Verweilen ein. Ein paar Straßen weiter hat die deutsch-slowenische Handelskammer ihren Sitz. Deutschland ist der wichtigste Wirtschaftspartner Sloweniens, weiß Geschäftsführerin Gertrud Rantzen: "Das Handelsvolumen hat sich innerhalb der letzten drei Jahre verdoppelt. Der Euro ist bestimmt noch einmal ein richtiger Schub, weil Slowenien für deutsche Unternehmen besonders im Zuliefer-Bereich interessant ist - interessant und extrem zuverlässig."
Integrationshelfer im Balkan
Nach geglückter Integration in die EU, einschließlich der Einführung des Euro, wendet Slowenien sich in jüngster Zeit wieder mehr den Partnern von früher zu. Slowenische Firmen strecken ihre Fühler aus nach Kroatien und Serbien. Und die EU-Präsidentschaft will die Regierung in Ljubljana nutzen, um die anderen ehemals jugoslawischen Teilrepubliken näher an die Europäische Union heranzuführen, sagt Janez Lenarcic, der für Europa zuständige Staatssekretär: "Wir haben mit diesen Ländern einen beträchtlichen Teil unserer Geschichte gemeinsam und würden es gerne sehen, wenn sie Fortschritte machten in Richtung auf ein gemeinsames Europa." In erster Linie hänge das natürlich von diesen Ländern selbst ab, betont Lenarcic. "Aber ich denke, es ist nützlich, wenn wir diesem Gedanken etwas Nachdruck verleihen. Denn Europa wird nicht vollständig sein, solange die Balkanstaaten nicht in die EU integriert sind.“
Das Ausscheren Sloweniens aus dem gemeinsamen Staatenbund läutete vor 16 Jahren gewissermaßen den Anfang vom Ende Jugoslawiens ein. Während der EU-Präsidentschaft Sloweniens könnte die wichtigste Aufgabe nun darin bestehen, mit einer Lösung der Statusfrage für das Kosovo gewissermaßen den Schlussstein für diesen Auflösungsprozess zu setzen.