Serbisches Gericht erlaubt Auslieferung von Mladic Die Hoffnung auf späte Gerechtigkeit
Der in Serbien festgenommene mutmaßliche Kriegsverbrecher Mladic kann an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ausgeliefert werden. Das hat ein Gericht in Belgrad entschieden. Der 69-jährige sei in der Verfassung, vor Gericht gestellt zu werden, sagte eine Richterin.
Von Jörg Paas, ARD Hörfunkstudio Südosteuropa
Ein alter hinkender Mann mit Schirmmütze - so präsentierte das serbische Fernsehen am Abend den Mann, der für den Tod von mindestens 8000 Menschen verantwortlich gemacht wird. Auch am Tag nach seiner Festnahme scheiden sich an Ratko Mladic in Serbien die Geister. "Es freut mich. Das hätten wir schon längst machen sollen", meint einer. "Es war höchste Zeit, dass diese Agonie endlich aufhört", sagt ein anderer. "Er hätte sich nicht ergeben sollen. Er ist doch unser großer Held", entgegnet ein Mladic-Anhänger. "Ein katastrophaler Fehler, dass die Festnahme zugelassen wurde, da können Sie mich gleich auch mitnehmen", ergänzt eine Frau.
Ein Foto von Ratko Mladic im Jahr 1996 im Vergleich mit einem jetzt veröffentlichten undatierten Foto der Zeitung "Politika".
Zufall - oder Berechnung?
Nach 15 Jahren vergeblicher Suche wurde Ratko Mladic rein zufällig - oder vielleicht auch nicht - genau an jenem Tag aufgespürt, als die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sich in Belgrad zum Besuch angesagt hatte. Am Abend trat sie gemeinsam mit dem serbischen Präsidenten Boris Tadic vor die Presse: "Herr Präsident, darf ich Ihnen zunächst zur Festnahme von Herrn Mladic gratulieren. Dies ist ein wichtiger Tag für Ihr Land - und für all jene, die noch immer den Verlust von Angehörigen betrauern."
Serbien hofft nun auf schnellen EU-Beitritt
Tadic machte seinerseits klar, dass er nun konkrete Gegenleistungen erwartet. Serbien will in die EU und hat aus seiner Sicht mit der Festnahme von Mladic das größte Hindernis auf dem Weg dorthin aus dem Weg geräumt: "Unser Ziel ist nicht nur der Kandidatenstatus, sondern auch ein konkretes Datum für den Beginn von Beitrittsverhandlungen. Serbien hat mit Recht hohe Erwartungen, schließlich hat es seine Verpflichtungen erfüllt."
Anwälte stelle Mladic als kranken Mann dar
Die Strategie der Verteidigung scheint klar. Die Anwälte von Mladic zeichnen ein dramatisches Bild vom Gesundheitszustand des Angeklagten. Er habe kaum einen zusammenhängenden Satz gesprochen und nicht einmal seine persönlichen Daten bestätigen können, hieß es. Der Staatsanwalt hingegen betonte, dass Mladic auf alle Fragen sehr rational reagiert habe und äußerst kommunikativ sei.
Nach Abschluss der Einvernahme muss der Richter entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Überstellung von Mladic an das UN-Kriegsverbrechertribunal erfüllt sind. Diese Entscheidung fiel am frühen Nachmittag. Der 69-jährige sei in der Verfassung, vor Gericht gestellt zu werden, sagte eine Richterin in Belgrad. Nun hat Mladic selbst noch die Möglichkeit der Berufung vor der nächsthöheren juristischen Instanz. Das ganze Verfahren kann sich bis zu sieben Tagen hinziehen.
Mladic hat weiterhin Anhänger
Meinungsumfragen zufolge sind die Serben mehrheitlich nicht mit der möglichen Auslieferung von Mladic nach Den Haag einverstanden. Eingefleischte Anhänger - wie Dragan Todorovic, der Vizechef der Serbischen Radikalen Partei - wollen in den nächsten Tagen sogar zum massiven öffentlichen Protest aufrufen: "Unsere Partei wird sich beraten. Ich werde vorschlagen, dass wir eine große Kundgebung gegen die Verhaftung von Mladic organisieren und damit zeigen, dass wir mit diesem abscheulichen Akt nicht einverstanden sind."
Noch am Abend gingen in Belgrad und einigen anderen Städten ein paar Hundert junge Nationalisten für ihr Idol auf die Straße. Der Polizei gelang es aber, alle Kundgebungen weitgehend friedlich aufzulösen.